Artillerie 1. Weltkrieg


Die Artillerie im 1. Weltkrieg von 1914 bis 1918.

Britisches 18-Pfünder-Feldgeschütz
Britisches 18-Pfünder-Feldgeschütz im Gefecht.

Artillerie im 1. Weltkrieg

Die Artillerie spielte eine entscheidende Rolle für den Verlauf des Ersten Weltkriegs. Das von der schnell feuernden Feldartillerie getragene Feuer trug zum Beispiel dazu bei, die Armeen an der Westfront in die Schützengräben zu zwingen, wo sie bis 1918 auch verbleiben sollten. Das Fehlen von Feldgeschützen behindert die riesigen russischen Armeen, während die aggressive deutsche Artillerietaktik ein wichtiges Element für deren Erfolg im Osten war.


Während des Ersten Weltkriegs waren Feldgeschütze die häufigste Art von Artilleriegeschützen. Sie alle waren entwickelt und hergestellt worden, um an der beweglichen Art der Kriegsführung teilzunehmen, die im vorausgegangenen Jahrhundert die Norm gewesen war, in der große Armeen über die Schlachtfelder Europas zogen und die Feldartillerie für Feuerunterstützung sorgte.
Die Kriegsbedingungen des Ersten Weltkriegs erlaubten es der Artillerie nicht, weiterhin auf diese mobile Weise eingesetzt zu werden. Nach einer kurzen Zeit, in der es so aussah, als würden sich die bisher üblichen Bedingungen des Manövrieren und der offenen Feldschlacht fortsetzen, dauerte es nicht lange, bis überall auf den Schlachtfeldern der Grabenkrieg einsetzte.

Die Feuerkraft der neuen Schnellfeuer-Geschütze zwang zwar die Infanterie, in den Schützengräben in Deckung zu gehen, aber sie konnte keine Erdbefestigungen zerstören. Nur die Haubitze konnte mit ihrem hohen Abschusswinkel und dem fast senkrechten Herabfallen des Geschosses einen nützlichen Beitrag dafür leisten. Nur Haubitzen konnten bis in die feindlichen Gräben vordringen, und nur die schweren Haubitzen konnten daher von echtem Nutzen sein.

Die Armeen verfügten jedoch über eine große Anzahl von Feldgeschützen und leichten Feldhaubitzen, sodass diese eingesetzt werden mussten. Sie konnten jedoch selbst gegen die am leichtesten geschützten Verteidigungsanlagen nur wenig ausrichten, zumal in den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs ein Großteil der Munition auf Granatsplitter beschränkt war, die für den Einsatz gegen einen Feind im offenen Gelände bestimmt waren. Schrapnell-Ladungen konnte nicht in Unterstände eindringen oder Stacheldrähte zerfetzen, sodass diese nach und nach durch Sprenggranaten ersetzt wurden.

Warum war die Feldartillerie dann in so großer Zahl vorhanden?
Die Antwort auf diese Frage liegt in den Produktionsanlagen und in der ständigen Suche nach einem strategischen Durchbruch. Sobald dieser erreicht würde, konnten die Feldgeschütze wieder zum Einsatz kommen, während die statischen und schweren Belagerungsgeschütze, die nach und nach an allen Fronten zum Einsatz kamen, zurückgelassen werden mussten. Der Verweis auf die Produktionsstätten erklärt sich dadurch, dass Feldartillerie relativ leicht in großen Mengen hergestellt werden konnte, während die Produktion schwerer Waffen viel mehr Zeit und Geld in Anspruch nahm. Deshalb wurde der Schwerpunkt weitherhin auf die Feldartillerie gelegt.

Nicht alle Schlachten des Ersten Weltkriegs waren außerdem auf die Schützengräben beschränkt. In Russland, im Nahen Osten und auf dem Balkan fand die von den Militärplanern vor 1914 vorgesehene fließende Kriegsführung statt, und hier konnte die Feldartillerie die ihr zukommende Rolle spielen, indem sie die anderen Waffengattungen im Feld unterstützte.
Aber der Hauptschauplatz des Ersten Weltkriegs war die Westfront, und dort wurde die Feldartillerie in Massen eingesetzt, um so viel Unterstützung wie möglich zu leisten, und die Kanoniere aller Nationen taten mit den unzulänglichen Mitteln ihr Bestes .


Artillerie-Geschütze im 1. Weltkrieg:


Feldartillerie

Die Feldartillerie bestand aus leichten, pferdegezogenen Geschützen, die mit der Infanterie und Kavallerie Schritt halten konnten. Die Zuteilung dieser Geschütze erfolgte auf der Ebene der Divisionen, während die Verteilung der schwereren, langsamer feuernden Geschütze den Befehlshabern höherer Formationen oblag.

Es gab zwei Haupttypen von Feldartillerie: Geschütze, die ein Geschoss mit hoher Geschwindigkeit auf einer vergleichsweise flachen Flugbahn abfeuerten – meist gegen Ziele im Freien und in der Sichtlinie des Schützen – und Haubitzen, die ein Geschoss mit geringerer Geschwindigkeit auf einer bogenförmigen Flugbahn abfeuerten, um hinter Deckung versteckte Ziele zu treffen. Beide Typen konnten anhand des Durchmessers der Laufbohrung bestimmt werden – dem auf dem europäischen Festland üblichen System -, oder alternativ anhand des ungefähre Gewicht der verschossenen Granate. Letztere Praxis war weitgehend auf Großbritannien beschränkt.

So war das von den Franzosen 1914 am häufigsten eingesetzte Feldgeschütz das 7,5-cm Schnellfeuer-Geschütz M 1897, während die Batterien zur Unterstützung der britischen Infanterie auf den 18-Pfünder Mark I (Kaliber 84 mm) und die Kavallerie auf den leichteren 13-Pfünder (7,5 mm) zurückgriffen.


französische Batterie aus ‘M 1897’
Britische Kanoniere beobachten eine französische Batterie aus ‘M 1897’ im Einsatz.

Feuergeschwindikeiten

Die meisten Geschütze waren Schnellfeuerwaffen, die mehrere Schüsse pro Minute abfeuern konnten. Das beste von ihnen war die berühmte französische ‚Soixante-Quinze‘ (’75‘), das Feldgeschütz, das ein Rückstoßsystem einführte, bei dem sich nur der Lauf und nicht die gesamte Lafette bewegte, wenn es feuerte. Die ’75‘ war phänomenal schussfreudig, und eine gut ausgebildete Mannschaft konnte bis zu 25 Schuss pro Minute abgeben. Die Besatzung des nicht unähnlichen britischen 18-Pfünders schaffte nur acht in der Minute.

Ähnliche Geschütze wurden auch von den anderen Kriegsparteien eingesetzt. Deutschland zum Beispiel setzte auf das 7,7-cm-Feldgeschütz, eine Waffe, die in großem Umfang auch an seine Verbündeten exportiert wurde, während Russland das 76,2-mm-M1902 einsetzte.

Unabhängig vom Geschütztyp hatten Feldartilleriegeschütze in der Regel ein Gewicht von etwa 900 bis 1.350 kg. Die verschiedenen Feldgeschütze und Haubitzen hatten eine maximale Reichweite von 6.500 bis 8.000 Metern, aber unter Gefechtsbedingungen wurden Ziele meist auf kürzere Entfernungen bekämpft, oft mindestens ein Drittel weniger als die maximale Feuerreichweite.

Die Anzahl der Geschütze in den einzelnen Batterien unterschied sich, aber die meisten Streitkräfte setzten auf vier Stück. Eine Ausnahme bildeten die britischen Kavallerie- und Infanteriedivisionen mit sechs Geschützen je Batterie.

Geschoss-Arten

Bei der Feldartillerie gab es zwei Arten von Granaten:
Schrapnellgeschosse, die hauptsächlich zur Bekämpfung von Soldaten im offenen gelände eingesetzt wurden, waren mit Metallkugeln und einer Sprengladung gefüllt, die durch einen voreingestellten Zeitzünder im Idealfall direkt über dem Feind zur Detonation gebracht wurde.
Hochexplosive Geschosse hatten einen Aufschlagzünder, der detonierte, wenn die Granate auf den Boden oder ein anderes hartes Ziel wie ein Gebäude traf. Die Wucht der Explosion konnte Gegenstände zerstören, während sowohl die Detonation als auch die Splitter eines getroffenen Gebäudes oder Unterstandes für die darin befindlichen Soldaten tödlich waren. Solche Geschosse konnten nicht detonieren, wenn sie auf weichen oder schlammigen Boden aufschlugen.

Die Feldartillerie war im Wesentlichen eine Waffe der mobilen Kriegsführung, und als solche verlor sie an der Westfront mit dem Aufkommen des Grabenkriegs an Bedeutung. Schrapnelle waren gegen in Deckung liegende Truppen unwirksam, und die von Feldgeschützen abgefeuerten hochexplosiven Geschosse waren zu leicht, um tiefe, stark gebaute Unterstände wirksam zu treffen.

Trotz ihrer mangelnden Feuerkraft wurden Feldgeschütze während des gesamten Krieges in großer Zahl an der Westfront eingesetzt. Dank verbesserter Zünder, die später im Krieg eingeführt wurden, konnten Feldgeschütze dann auch Stacheldrahtverteidigungen wirksam beseitigen.

Am britischen Beschuss vor Beginn der Schlacht an der Somme 1916 waren etwa 1.600 Geschütze beteiligt, von denen etwa 1.200 entweder Feldgeschütze oder etwas größere mittlere Geschütze waren.
Als die Deutschen 1918 die Operation Michael – die erste ihrer großen Entscheidungsoffensiven im Westen – begannen, verfügten sie über 6.473 Geschütze: 3.965 davon waren 7,7-cm oder 10-cm-Feldgeschütze.



Schwere Artillerie

30,5cm Skoda-Haubitze
Eine österreich-ungarische 30,5 cm Skoda-Haubitze ‚Schlanke Emma‘ im Einsatz.
Der allgemeine Mangel an schwerer Artillerie im Jahr 1914 spiegelte teilweise die vorausgegangenen militärischen Erfahrungen der kriegführenden Staaten wider. Die Franzosen waren weiterhin von ihrer Idee der schnellen und beweglichen Kriegführung aus den Tagen Napoleons zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zugetan, während die Briten erst vor kurzem gegen die schwer fassbaren, berittenen Buren-Kommandos im Zweiten Burenkrieg von 1899 bis 1902 gekämpft hatten.
So sahen diese beiden Armeen keinen Bedarf für mehr als die voll bewegliche und schnell einsetzbare Feldartillerie, welche durch Pferdegespanne gezogen wurden und mit Kavallerie und Infanterie Schritt halten konnten.

Dagegen lernten die deutschen und österreich-ungarischen militärischen Planer einige der Lektionen aus dem Russisch-Japanischen Krieg von 1904 bis 1905, bei dem die Japaner schwere Haubitzen einsetzten. Trotzdem zogen auch ihre Armeen mit einem Übergewicht aus leichteren Feldgeschützen in den Krieg, obwohl ihrer beider Generalstäbe davon ausgingen, mit einigen feindlichen Festungen fertig werden zu müssen und daher etwas schwere Artillerie benötigt würde.

Preußische Truppen waren an Belagerungen während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 beteiligt und stellten damals einen Mangel an ausreichender eigener Feuerkraft fest. Die französische Reaktion auf ihre Niederlage war der Bau oder die Modernisierung einer Reihe von Festungen, welche den schnellen Vormarsch der deutschen Truppen verlangsamen würde, welcher nach dem Schlieffenplan erforderlich war. Dazu folgte auch Belgien dem französischen Beispiel mit dem Bau von Festungen an den Stellen, welche die deutschen Truppen passieren müssten.

Österreich-Ungarn hatte zwei bedeutende potenzielle Feinde, Russland und Italien. Ein Krieg gegen einen der beiden wird entweder Kämpfe in den Gebirgen der Karpaten oder den Alpen nach sich ziehen, beide Gebiete sind natürliche Festungsbereiche. In beiden Fällen waren Granaten mit einer steilen Flugbahn erforderlich.

Österreich-Ungarn ging voraus mit der ‚Schlanken Emma‘ von Skoda, einer 30,5-cm-Haubitze. Deutschland folgte mit der von Kruppe entwickelten 42-cm-Haubitze mit dem Spitznamen Dicke Berta. Ihren ersten Kampfeinsatz erlebten beide Haubitzen gegen die Festungen von Liege am 12. August 1914, welche als die stärksten Festungen der Welt galten.
Zur Bestätigung der Deutschen und zum Schock für die Gegner, zerlegten innerhalb von bloß vier Tagen etwa ein Dutzend der ‚Emmas‘ und ‚Bertas‘ die angeblich undurchdringbaren, mit Stahl verstärkten Betonwerke der Festungsstadt in Schutthaufen.

Als die Schützengräben entlang der Westfront Ende 1914 gegraben waren, begannen alle Kriegsteilnehmer vollständig den Bedarf schwerer Artillerie zu erkennen, welcher die Stacheldrähte, Grabenstellungen und tief ausgehobene Unterstände in dieser modernen Form des Belagerungskrieges zerschlagen konnte. Sie begannen solche Geschütze in größerer Zahl zu bauen und neue Modelle zu entwerfen, oder verwendeten als Zwischenlösung die schweren Festungsgeschütze aus nun anderen Orts überflüssig gewordenen Forts.
Zum Beispiel bestanden nur etwas mehr als acht Prozent der französischen Artillerie im Jahr 1914 aus schweren Geschützen, aber vier Jahre später war ihr Anteil auf fast 50 Prozent angewachsen.

Eine große Anzahl unterschiedlicher schwerer Artilleriegeschütze wurde entwickelt. Einige wurden auf Lafetten mit Rädern montiert, andere wiederum wurden in Teile zerlegt und auf diese Weise transportiert und in verstärkten Feuerbettungen zusammengebaut.
Einige von ihnen, wie die 220 mm Schneider Modell 1917 der französischen Armee, konnten eine 90,7 kg schwere Granate über 22.400 Meter schleudern, aber die meisten der schweren Haubitzen-Typen hatten kürzere Reichweiten.

Der Handel war ziemlich einfach: umso schwerer die Granate, desto kürzer die Reichweite. Aber die allgemeine Entwicklung ging in Richtung schwerer und zerstörerischer Granaten.
Die Granate des deutschen Standard-Feldgeschützes von 1914 wog lediglich 6,8 kg, während das des schweren 21-cm Langer Mörser von 1916 bereits 113 kg wog.


Quellenangaben und Literatur

The Illustrated Encyclopedia of Weapons of World War I (Chris Bishop)
An Illustrated History of the Weapons of World War One (Ian Westwell)
Typenkompass: Deutsche Artillerie 1914-1918 (Wolfgang Fleischer)
Die Geschichte der Artillerie (John Batchelor, Ian Hogg)


Zum teilen:

Nach oben scrollen
Einen Moment bitte noch - das hier ist bestimmt auch interessant:

US-Selbstladekarabiner M1
Selbstladekarabiner M1, häufigste amerikanische Waffe im Zweiten Weltkrieg. Geschichte, Entwicklung, Spezifikationen, Statistiken, Bilder und 3d-Modell vom US Carbine cal .30 Read more

VIELEN DANK FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT!