Türkische Armee 1914-18


Die türkische Armee im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918.
Uniformen, Stärke, Verluste, Organisation, Kriegsgliederung und Disposition der Streitkräfte des Osmanischen Reichs.

Angriff türkischer Infanterie
Angriff türkischer Infanterie gegen die britischen Truppen in Palästina.

Anfang November 1914 trat das Osmanische Reich (Türkei) in den Krieg gegen die Alliierten ein. Das marode Osmanische Reich bröckelte bereits seit fünfzig Jahren, als im Jahr 1908 die revolutionären Jungtürken die Macht ergriffen, indem sie Sultan Abdul Hamid mit überraschender Leichtigkeit loswurden.
Trotzdem folgten weitere Niederlagen: 1911 gegen Italien bei Tripolis und im Jahre 1912 im Ersten Balkankrieg. Obwohl die Türken wieder etwas Territorium im Zweiten Balkankrieg zurückgewinnen konnten, war die Armee nach sechs Jahren Kampf erschöpft und befand sich zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Zusammenbruch. Ihre Soldaten waren oft hungrig und in Lumpen gekleidet, ihr Sold im Rückstand und die Verwaltung zusammengebrochen.

Türkische Armee im Ersten Weltkrieg


Seit den Balkankriegen war eine starke deutsche Militärmission an der Arbeit gewesen, welche energisch die Organisation und die Ausbildung verbesserte. Und die türkischen Soldaten wussten in jedem Fall mit den Gegebenheiten des Krieges zurechtzukommen. In ihren Einheiten – einige der arabischen Divisionen ärgerte auch die türkische Dominanz, was für einen gewissen Wettbewerb sorgte – herrschte ein heftiger, nachtragender und Wolfs-ähnlichen Stolz, der den türkischen Soldaten zu einem der stursten und erbittertsten Kämpfer der Welt auf dem Schlachtfeld machte.

Da die Türken von ihren nördlichen Verbündeten abgeschnitten waren, da Bulgarien und Rumänien noch neutral waren, konnten sie dringend benötigte Lieferungen nur durch List und Schmuggel erhalten. Innerhalb ihrer eigenen Grenzen hatten die neuen Eisenbahnstrecken, welche von deutschen Ingenieuren gebaut wurden, noch Unterbrechungen auf jeder Seite des Golfs von Alexandretta, wo sie die Taurus- und Amanus-Gebirge auf dem Weg nach Aleppo überquerte. Dort verzweigte die Bahn in Richtung Bagdad, wo aber noch 500 km Strecke bis zum Tigris fehlten, und in die andere Richtung nach Amman und Medina. Die nächste Eisenbahnstation an der russischen Kaukasus-Grenze war noch 400 km davon entfernt.

Die Armee, die etwas mehr als eine Million Mann stark war, mit sechsunddreißig regulären Divisionen, wurde in die I., II., III. und IV. Armee eingeteilt. Jeweils eine Armee befand sich im europäischen Teil der Türkei, eine in West-Anatolien, eine bei Erzurum in der Nähe der russischen Grenze, und eine war auf Syrien verteilt. Darüber hinaus gab es jeweils zwei regulären Divisionen im Jemen, Zentral-Arabien und Mesopotamien (dem heutigen Irak).

Kriegsminister Enver Pascha, welcher mit dem Innenminister Talat Bey die Regierung beherrschte, übernahm persönlich das Kommando über die Dritte Armee, welche etwa 150.000 Mann stark war. Mitte Dezember schickte er seine schlecht ausgerüsteten Soldaten über die Berge in den Kaukasus gegen die kleinere russische 7. Armee. Durch die Winterstürme wurde das Eintreffen der drei Korps verzögert, sodass diese einzeln in den Kampf geworfen werden mussten. Trotzdem kämpften die hungrigen und erschöpften Soldaten so energisch, dass die russische Führung alarmiert wurde.

Türkische Ski-Gebirgstruppen
Türkische Ski-Gebirgstruppen im Kaukasus.

Dann, nachdem sie rund um Sarikamish geschlagen worden waren, standen die Türken vor der Wahl, entweder zu kapitulieren oder den Rückzug über die eisigen Pässe anzutreten. Nur 12.000 Mann gelang die Rückkehr nach Erzurum. Eine ganze Korps legte seine Waffen nieder und die Russen zählten 30.000 gefrorene Leichen in den Bergen.

Im Februar 1915 schickte die IV. Armee 20.000 Mann auf die Sinai-Halbinsel, um den Suezkanal abzuschneiden. Ägypten, noch im Jahr 1914 nominell ein Teil des Osmanischen Reiches, aber seit 1882 von Großbritannien besetzt und kontrolliert, hatte das Land zu einem britischen Protektorat erklärt, als die Türkei in den Krieg eintrat. Es wurde von einer britischen Territorial- und zwei indische Divisionen verteidigt und außerdem befand sich noch das zwei Divisionen starke ANZAC-Korps zur Ausbildung dort. So wurden die Türken mit Leichtigkeit geworfen. In den nachfolgenden Jahren gingen die Briten dann dazu über, selbst auf dem Sinai anzugreifen. Erst ungeschickt und zaghaft und dann im Jahre 1917 unter Allenby brillant und mit einer überwältigenden Überlegenheit, wobei Jerusalem im Dezember 1917 erobert wurde.

Arabische Kavallerie der türkischen Armee
Arabische Kavallerie der türkischen Armee auf dem Marsch.

Weiter östlich ergriffen die Briten von Anfang an gegen die Türken die Initiative. Eine Brigade aus Indien landete am Kopf des Persischen Golfs in Oktober 1914, gefolgt vom Rest einer Division, welche die anglo-persischen Ölfelder schützen und verhindern soll, dass feindliche Einfälle in den Indischen Ozean erfolgen. Sie nahmen schnell Basra und gewann etwas Raum den Euphrat hinauf.

Mehmetcik auf Gallipoli
Mehmercik der türkischen Armee während der Kämpfe auf Gallipoli.
Der bei weitem wichtigste türkische Beitrag zu den deutsch-österreichischen Kriegsanstrengungen war jedoch die unmittelbare im Oktober 1914 erfolgte Schließung der Dardanellen und des Bosporus für die alliierte Schifffahrt. Durch dieses Abschneiden der russischen Schwarzmeerhäfen zur Außenwelt brach dessen großer Mais-Exporthandel zusammen. Auf einen Schlag fielen die russischen Exporte um 98 Prozent und die Importe um 95 Prozent. Diese Zahlen wären für jede Nation lähmend gewesen, aber um so mehr fatal für Russland, welches mit seiner riesigen Bevölkerung und schmalen industriellen Basis kaum auf eigenen Füßen stehen konnte. Es verlangte leistungsstarke strategische und moralische Maßnahmen der Alliierten, Russland zu Hilfe zu kommen.


Im Gegensatz zu Ausrüstung und Versorgung war die Moral der türkischen Armee praktisch nahezu bis zur Niederlage überragend. Der Sieg auf Gallipoli verstärkte die von Anfang an gute Moral noch weiter, denn es war der erste Sieg über europäische Großmächte seit ewigen Zeiten. Diesen Sieg verdankte die türkische Armee dem Mehmetcik, dem mutigen und anspruchslosen Infanteristen.
Noch heute erinnert man sich im arabischen Raum, wo die Einwohner nur wenig Gründe haben, sich nostalgisch an die osmanische Herrschaft zu erinnern, dass der türkische Soldat ein Abu Shuja’a war, was übersetzt in etwa mit dem ‚Vater des Mutes‘ gleichbedeutend ist, während die Briten als Abu Alf Midfah bezeichnet wurden, was ‚Vater der Tausend Kanonen‘ bedeutet.


Disposition der türkischen Streitkräfte im November 1914

THRAKIEN:
Erste Armee
I. Korps: 1., 2., 3. Infanterie-Division
II. Korps: 4., 5., 6. Infanterie-Division
III. Korps: 7., 8., 9. Infanterie-Division
IV. Korps: 10., 11., 12. Infanterie-Division
19., 20. Infanterie-Division (neue Formationen)
I. Kavallerie-Brigade
Zweite Armee
V. Korps: 13., 14., 15. Infanterie-Division
VI. Korps: 16., 24. (neu), 26. Infanterie-Division

SMYRNA
Festungsbereich-Kommando

SYRIEN
Vierte Armee
VIII. Korps: 23., 25., 27. Infanterie-Division
XII. Korps: 35., 36. Infanterie-Division

KAUKASUS
Dritte Armee
IX. Korps: 17., 28., 19. Infanterie-Division
X. Korps: 30., 31., 32. Infanterie-Division
XI. Korps: 18., 33., 34. Infanterie-Division
37. Infanterie-Division (in Zuführung aus Thrakien)
Reserve-Kavallerie-Korps:
1., 2., 3., 4. Reserve-Kavallerie-Division (neu)
Van Jandarma Division (Infanterie; neu)
2. Kavallerie-Division
Van Kavallerie-Brigade

MESOPOTAMIEN
Irak-Bereichs-Kommando: 38. Infanterie-Division

ARABIEN UND JEMEN
VII. Korps: 21., 22., 39., 40. Infanterie-Division


Türkische Uniformen

türkische Sturmtruppen
Ein deutscher Offizier inspiziert türkische Sturmtruppen während der letzten Kriegsphase in Palästina. Die Soldaten und ihr Kommandant tragen den speziellen türkischen Stahlhelm, welcher zum deutschen Original geringfügige Unterschiede hat.

Eines der am deutlichsten sichtbaren Resultate der Jungtürkischen Revolution von 1908/09 waren die neuen Uniformen der osmanischen Truppen, deren vollständige Einführung sich aber noch bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges hinzog.


Während der zurückliegenden hundert Jahre hatte das Osmanische Reich bereits öfters versucht, sowohl das Aussehen als auch die Organisation seiner Streitkräfte zu modernisieren. Zur Zeit des Krimkrieges herrschte noch ein starker französischer Einfluss vor, aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann die Armee sich nahezu vollständig am deutschen Vorbild zu orientieren.

Türkische Infanterie 1915-17
Türkische Infanterie 1915-17: Arabischer Fahrrad-Soldat 1915, Infanterist an der russischen Front 1917, Linieninfanterist 1915 (von links nach rechts)
Eine khakifarbene Grundausstattung der Uniform wurde 1909 eingeführt, um das alte dunkelblau zu ersetzen, obwohl dieses weiterhin für die Ausgehuniformen der Offiziere beibehalten wurde.
Der rote Tarbush oder ‚Fez‘ mit seinem dunkelblauen Troddel, dem Markenzeichen des türkischen Soldaten für rund ein Jahrhundert, wurde durch den Kabalak ersetzt. Diese einzigartige Form der militärischen Kopfbedeckung bestand aus langem Tuch, das um eine geflochtene Basis gewickelt war und einem Solartopus oder Sonnenhelm ähnelte. Der Kabalak wurde offensichtlich von Enver Pascha persönlich angefordert und wurde daher oft als Enveriye bezeichnet.
Offiziere trugen den Kalpak aus Schafsfell, welche sie aber im Einsatz zumeist durch den Kabalak ersetzten.
Später im Krieg wurde eine vereinfachte Form des Kabalak eingeführt, mit einem einfarbigen khakifarbenen Überzug und einem einzelnen Stoffstreifen einmal um den Helm gewickelt.

Die Unterschiede in der Qualität der Uniformen zwischen Offizieren und Mannschaften scheinen in der osmanischen Armee größer als bei jeder anderen Streitmacht gewesen zu sein. Viele Offiziere, vor allem in höheren Rängen, erhielten Uniformen und auch ihre persönlichen Waffen aus Beständen, welche aus Deutschland geliefert worden waren.

Einige der Uniformen für die gewöhnlichen Soldaten wurden auch von den europäischen Verbündeten des Osmanischen Reiches produziert, aber die Masse dieser Uniformen scheinen in der Türkei hergestellt worden zu sein. Gegen Ende des Krieges war die Qualität letzterer von mäßig gut bis einfach entsetzlich.
Sowohl die Farben als auch die Qualität des verwendeten Tuchs variierte erheblich. Das Gleiche galt für das Schuhwerk und die Lederausrüstung.

Türkische Kavallerie
Türkische Kavallerie: Offizier, kurdischer irregulärer Reiter, Unteroffizier eines Kavallerie-Regimentes.
Während eines Feldzuges konnte die Ausrüstung der Truppe oft nicht ersetzt werden, sodass es Bilder von türkischen Soldaten gibt, die ihre Füße lediglich mit Stoff umwickelt haben und wo die Lederausrüstung mit Schnüren zusammengehalten wird.
Unter den harten Wetterbedingungen des November 1915 wurden die türkischen Truppen auf Gallipoli auch mit einer seltsamen Mischung von warmen Kleidungsstücken versorgt, welche von der Bevölkerung von Konstantinopel gespendet wurde. Dabei befand sich so ungeeignete Kleidung wie modische Unterwäsche und elegante, leichte Herrenschuhe.
Ab dem Sommer 1917 wurde Schuhwerk zu einem erheblichen Problem für die türkische Armee und selbst einige Offiziere konnten keine geeigneten Stiefel mehr erhalten.

Auf der anderen Seiten haben die Rangabzeichen eine lange Tradition und können noch selbst heute in der modernen türkischen Armee gesehen werden.
Die Waffengattung wurde durch farbige Kragen bei Offizieren und durch Kragenspiegel bei den Mannschaften angezeigt. Bei Offizieren wurden sie auch in den Einfassungen des Kalabak eingearbeitet.
Dabei wurde für die Infanterie Olivgrün, Maschinengewehr-Kompanien Grasgrün, Kavallerie hellgrau, Artillerie dunkelblau, Pioniere Mittelblau, Eisenbahntruppen Himmelblau und für die Militärpolizei Scharlachrot verwendet.
Im Jahr 1915 wurde der türkische Luftdienst von den Pionieren getrennt und die Angehörigen der Luftwaffen-Einheiten wechselten die Farbe ihrer Kragenspiegel von Mittelblau zu Rot.

Die Ränge von Offizieren und anderen Offiziersdienstgraden erkannte man, wie bei den meisten anderen Armeen, an der Anzahl der Noppen und dem Grad der Flechtung auf den Schulterstücken. Unteroffiziersränge wurden durch einfache Streifen um den Ärmel kenntlich gemacht.


OSMANISCHES REICH (12. November 1914 – 31. Oktober 1918)

  • Truppenstärke bei Kriegsbeginn = 360.000 – 500.000
  • Heeresstärke im Verlauf des Krieges = 1.600.000
  • Tote Militär = 350.000
  • Verwundete Militär = 450.000
  • Ziviltote = ca. 4.000.000 (Massaker an Armeniern, Syrern, Juden und Griechen)

Quellenangaben und Literatur

Illustrierte Geschichte des Ersten Weltkriegs (Christian Zentner)
History of World War I (AJP Taylos, S.L. Mayer)
The Ottoman Army 1914-18 (David Nicole PHD)
Ordered to Die – A History of the Ottoman Army in the First World War (Edward J. Erickson)
The Ottoman Army 1914-1918 – Disease & Death on the Battlefield (M. Hakan Yavuz)


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