Der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915-1916.
Zu den furchtbaren Gräueln dieses Krieges zählt auch ein Vorfall, der die Weltöffentlichkeit nie allzu sehr beschäftigte – zum einen, weil man ihn in der Türkei stets verdrängte oder gar leugnete, zum anderen, weil nur wenige Berichte davon überliefert sind.
Möglich wurde diese Tat erst durch den 1. Weltkrieg und die Umstände, die er mit sich brachte: Die damals herrschenden Notstandsgesetze schränkten die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten sowie die Bürgerrechte ein, und unter der Bevölkerung herrschte eine regelrechte Kriegshysterie. Außerdem war auch das Auge der Weltöffentlichkeit auf andere Dinge gerichtet.
Die Konflikte zwischen Türken und Armeniern hatten ethnisch-religiöse Ursachen und kamen zum Ausbruch, als das Osmanische Reich eine Ausdehnung nach Osten ins Auge fasste, um alle Türkvölker zu vereinen. In den Jahren 1894-1896 kam es zu einer ersten Welle der Gewalt, für die Sultan Abdul-Hamid II. verantwortlich war, der eine andere Minderheit des Reiches, die der Kurden, gegen die Armenier aufhetzte.
1909 kam es zu neuerlichen Repressalien durch die Jungtürken, eine Bewegung, die eine konstitutionelle Reform des Osmanischen Reiches anstrebte. Die beiden Regionen, in denen die Armenier seit jeher angesiedelt waren, nämlich Zilizien und Armenien, wurden zum Schauplatz von Massakern und Massenfestnahmen. Damals fielen über 300.000 Armenier den Türken zum Opfer und das bei einer Bevölkerung von insgesamt zwei Millionen.
Außerdem wurden mehrere Zehntausend gezwungen, zum Islam zu konvertieren, während ein wahrer Strom von Flüchtlingen das Osmanische Reich verließ.
1914 schloss sich die Türkei den Mittelmächten an, um gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Die Armenier, die sich geografisch an der Ostfront befanden, traten mehrheitlich in die türkische Armee ein, was jedoch nichts an der Feindseligkeit änderte, die man ihnen entgegenbrachte.
Im Dezember 1914 startete Enver Pascha, der das Kommando über die Dritte Armee übernommen hatte, eine Offensive im russischen Kaukasus, bei der keinerlei Vorbereitungen auf den strengen Winter getroffen wurden. Zehntausende Soldaten erfroren oder verhungerten, während die Reste der Dritten Armee sich zurückziehen mussten. Die russischen Truppen nahmen die drei armenischen Städte Van, Erzurum und Bitlis ein. Die geschlagenen Türken machten nun die Armenier zu Sündenböcken ihrer Niederlage, indem sie ihnen vorwarfen, mit dem Feind zu kollaborieren.
Die armenischen Soldaten in der türkischen Armee wurden entwaffnet. Daraufhin begann man unter dem Vorwand, dass die Front so nahe sei, die Zivilbevölkerung aus ihrer Heimat zu deportieren. Angehörige der armenischen Elite wurden verhaftet und nach gewaltsam erzwungenen Geständnissen umgebracht.
Im Verlauf der Massendeportationen wurden fernab von internationalen Beobachtern unzählige Menschen ermordet. Die Armenier aus Zilizien wurden in die Wüsten Syriens oder Mesopotamiens ‘umgesiedelt’.
An der Tragödie konnte auch vereinzelt aufflackernder Widerstand nichts ändern, wie er etwa in Franz Werfels Roman ‘Die vierzig Tage des Musa Dagh‘ beschrieben wurde; in diesem Fall wurde eine Gruppe von 4000 Armeniern durch das Eingreifen der Franzosen gerettet.
Gegen Ende des Jahres 1916 waren nur noch im Raum Konstantinopel und Smyrna Armenier zu finden – der Rest war geflüchtet oder den Türken zum Opfer gefallen.