Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg.
Moderne Kriege werden zumindest seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 weder durch den besseren Kämpfer und Soldaten, noch durch das taktische oder strategische Genie eines Napoleons (wohl der letzte in dieser Reihe mit diesem Privileg), Friedrich der Große, Karl XII., Wallensteins, Cäsars, Hannibals oder Alexander des Großen entschieden, sondern durch deutliche materielle und zahlenmäßige Überlegenheit auf dem Schlachtfeld und an Reserven.
Rüstung im 2. Weltkrieg
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Deshalb beschäftigen wir uns an dieser Stelle mit dem Vergleich der Produktionszahlen und dem Zugriff auf wichtige strategische Ressourcen während des 2. Weltkrieges. Dazu gehören aber auch weitere Auswirkungen auf die jeweilige Rüstung der beteiligten Staaten, wie der Bombenkrieg, Zufuhrkriege und Blockaden.
Als wichtigster Rohstoff für die militärische Rüstung gilt der Eisen- und Stahlsektor. Eisen und Stahl sind die Grundlage für jede Rüstungsproduktion und sind die ‚Leitzahlen‘, für das was möglich ist. Allerdings kann auch dies nicht einen Krieg entscheiden, wenn keine klare Steuerung und Organisation auf Prioritäten erfolgt.
So produzierte das Deutsche Reich während des 2. Weltkrieges zwar dreimal soviel Stahl wie Sowjet-Russland, trotzdem konnten die Russen 102.000 Panzerfahrzeuge gegenüber 76.000 in Deutschland gebauten aufbieten. Nur die USA mit 287.000 Panzerfahrzeugen übertrafen die russische Produktion nochmals.
Die Russen hatten eine bessere und auch rücksichtsloseren Industrieorganisation und konzentrierten sich auf wenige, kriegsentscheidende Rüstungsprodukte, während man in Deutschland lange Zeit in einer luxuriösen Verschwendung lebte und eine Vielzahl ähnlicher oder konkurrierender Waffensysteme auf hohem technischen Standard gleichzeitig herstellte. Ein Motor für einen Kampfpanzer mit jahrelanger Lebensdauer und großer Fahrleistung mag ja brauchbar in Friedenszeiten sein, um Kosten zu sparen – aber im Krieg an der Front fährt der Panzer kaum ein paar hundert Kilometer, bevor er abgeschossen wird !
Allerdings muss hierbei natürlich auch berücksichtigt werden, dass die Rote Armee durch das amerikanische Lend-Lease-Programm mit vielen Gütern wie z.B. LKWs versorgt wurde, welche somit kaum oder gar nicht in Russland hergestellt werden mussten und dafür Panzer gebaut werden konnten.
Auch befand sich Sowjet-Russland nicht unter dem Druck einer feindlichen Luftoffensive auf seine Städte oder musste einen intensiven See- und U-Boot-Krieg führen.
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Das Paradox der Rüstung im Dritten Reich
Auf der einen Seite stand der Wunsch der Nazi-Führung, dem deutschen Volk keine hohen Opfer abzufordern. Hitler sah nämlich den Zusammenbruch der Heimatfront im Jahr 1918 als Ursache der Niederlage im 1. Weltkrieg an.
Zwar mussten Rationierungen Ende August 1939 eingeführt werden, aber es wurde jede mögliche Anstrengung unternommen, um diese Rationen möglichst groß zu halten. Dies geschah zum Teil auf Kosten der Ausplünderung des Großteils der besetzten Gebiete und bis in die letzten Kriegsmonate hinein waren die deutschen Rationen die größten aller kriegführenden europäischen Staaten.
Ebenso wenig gab es keine vollständige Mobilisierung der Bevölkerung oder der materiellen Ressourcen Deutschlands. Während zwar Millionen von Männern in der Wehrmacht dienten, gab es eine große Anzahl von Aussetzungen zum Militärdienst, um in der Industrie oder der Verwaltung zu arbeiten.
Diese Politik änderte sich erst Anfang 1942, als das Scheitern des Unternehmen Barbarossa klar war und die Personallage der Streitkräfte Priorität gegenüber der Wirtschaft oder den Wünschen der Parteibonzen hatte.
Darüber hinaus setzte auch bei Kriegsbeginn die deutsche Industrie ihre umfangreiche Produktion von Konsumgütern fort, sodass bis 1942 weder der Großteil der Industrieanlagen noch der Rohstoffverbrauch in die Rüstung floss.
Noch weniger Bereitschaft als beim Einzug aller körperlich tauglichen Männer zum Militärdienst bestand zudem dabei, weibliche Arbeitskräfte zu nutzen. Im ersten Kriegsjahr hatte das relativ hohe Niveau von Unterstützungszahlungen an Angehörige von Männern in den Streitkräften dazu geführt, dass viele Frauen ihre Beschäftigung in Industrie, Büros oder Gewerbe beendeten. Mit den staatlichen Zulagen konnten sie zu Hause ein besseres Leben führen, als wenn sie arbeiten würden !
Von jenen Frauen, die außerhalb des Hauses, des Hofes oder des Familienunternehmens erwerbstätig waren, arbeiteten Millionen als Dienstmädchen für Haushalte der Mittel- und Oberklasse bis weit in den Krieg hinein.
Erst ab 1943 änderte sich dieses Bild, aber bis in die letzte Phase des 2. Weltkrieges hatte Deutschland seine Frauen nicht in dem gleichen Maße herangezogen, wie dies in Großbritannien oder Russland geschah. Und bis dahin hatten die deutschen Frauen den Krieg schon längst durch die alliierte Bombenangriffe zu spüren bekommen.
Nach dem Unfalltod von Todt am 8. Februar 1942 übernahm Albert Speer das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition. Speer war Hitlers Leibarchitekt, und zwar von Natur eher ein Künstler, aber er erwies sich dann als genialer Organisator mit großer Kraft und von überraschendem Verständnis für Militärtechnik. Hinzu kam aber auch ein großes Geltungsbedürfnis.
Speer versuchte den deutschen ‚Scheinfrieden‘ in der Heimat zugunsten der Front zu beenden, fand aber erhebliche Widerstände bei Gauleitern und anderen hohen Parteiführern vor, welche Popularitätsverluste und die Einschränkung ihres Luxuslebens befürchteten.
Trotzdem kann Speer nach und nach die meisten Widerstände überwinden und unter seiner Organisation erreicht die deutsche Rüstungsproduktion bis 1944 ungeahnte Ausmaße.
Zwangsarbeiter
Allerdings stellt sich neben Widerständen Speer von Anfang an ein großes Problem in den Weg: wie soll er die Produktion steigern, wenn immer mehr Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen werden müssen, um die Fronttruppen zu verstärken ?
Dafür gab es nur eine Lösung, welche äußerst menschenverachtend war. Aus der direkten Verantwortlichkeit entzog sich Speer durch die angeregte Schaffung des ‚Reichsbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz‘ unter Fritz Sauckl, was ihm in Nürnberger Prozess den Hals retten sollte.
So wurde auf die Kriegsgefangen und weitere ausländische Arbeiter in Deutschland während des 2. Weltkrieges zurückgegriffen. Dieses zum Schluss gigantische Programm begann mit den polnischen Kriegsgefangenen, welche im Feldzug 1939 gefangengenommen wurde. Dazu kamen 1940 über eine Million französische Kriegsgefangene.
Schon vor dem Russlandkrieg gab es 3,5 Millionen Fremdarbeiter in Deutschland. Nun kamen bis 1942 noch etwa eine Million russischer Kriegsgefangener hinzu, zusammen mit einer weiteren Million, welche sich bereit erklärt hatte, in den deutschen Streitkräften mitzuhelfen. Dies waren die Überlebenden der ursprünglich 5 Millionen im Jahr 1941 gefangengenommen Rotarmisten, welche andernfalls ermordet oder verhungert waren.
Schließlich kamen noch mehr oder weniger freiwillig mehrere hunderttausende italienische Militärangehörige hinzu, die von den Deutschen nach der Kapitulation Italiens im September 1943 gefangen genommen worden waren. Auch sie waren bald nur noch Zwangsarbeiter.
Die Zahl der Zwangsarbeiter in Deutschland lag 1945 bei 7,5 Millionen. Davon kamen aus der Sowjetunion etwa 2,5 Millionen.
Diese sieben bis acht Millionen Zwangs- oder Sklaven-Arbeiter hatten in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle in der deutschen Kriegsökonomie.
In den ersten Kriegsjahren ermöglichten sie es der Nazi-Führung, die deutschen Frauen von der Fabrikarbeit fernzuhalten und diejenigen deutschen Männer zu ersetzen, welche von ihrer Arbeit auf den Bauernhöfen oder in der Industrie zum Militär eingezogen wurden.
Ab 1942 ermöglichte die massive Zunahme der Zwangsarbeit durch die überlebenden russischen Kriegsgefangenen und die zur Zwangsarbeit deportierten russischen und polnischen Zivilisten es der deutschen Regierung, eine sehr große Zahl von deutschen Männern in die Wehrmacht zu überführen, um vor allem die Verluste an der Ostfront aufzufangen.
Erbärmlich untergebracht und verpflegt, ständig belästigt und misshandelt, brutal für echte oder imaginäre Vergehen bestraft, waren diese Sklaven-Arbeiter während der Kriegszeit zunehmend in Deutschland überall anzutreffen.
Jede Stadt hatte ihre Lager für Zwangsarbeiter, jede Fabrik ihren Anteil an Sklaven-Arbeitern, von 20 bis 80 Prozent der Beschäftigten.
Die Grade der Misshandlung wurden sorgfältig nach sogenannte Rassen-Richtlinien berechnet, welcher die französischen und anderen ‚westlichen‘ Arbeiter am wenigsten und jene aus Russland am meisten diskriminierten. Diese Menschen mussten ein diffamierendes Abzeichen ‚Ost‘ tragen, erhielten weder Abendausgang oder Urlaub noch Zutritt zu öffentlichen Stätten. Viele kamen für die geringsten Vergehen direkt in ein Konzentrationslager.
Eine der größten Sorgen des Regimes war immer die mögliche sexuelle Beziehung zwischen ausländischen Arbeitern und deutschen Frauen, ein Vorkommnis, was durch öffentliches Aufhängen einerseits und ein System von staatlichen Bordellen andererseits eingeschränkt wurde.
Die Sklaven-Arbeiter litten noch mehr als deutsche Zivilisten unter den alliierte Bombenangriffe, welche viele ihrer Baracken zerstörten und den Zustrom der ohnehin schon miserablen Versorgung unterbrach.
Während der Kriegsjahre starben viele an Misshandlungen, andere wurden als ’nutzlose Esser‘ umgebracht, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten. Somit ersparten sich die Betriebe, bei denen diese Zwangsarbeiter tätig waren, hohe reguläre Lohnkosten und natürlich auch die Pensionen.
Die Frauen, die mehr als die Hälfte der Zwangsarbeiter aus dem Osten stellten, wurden oft Zwangssterilisationen und Abtreibungen unterworfen.
In den letzten Tagen des Krieges wurden Tausende Zwangsarbeiter beim geringsten Vorwand sofort erschossen.
Quellenangaben und Literatur
Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (10 Bände, Zentrum für Militärgeschichte)
Der 2. Weltkrieg (C. Bertelsmann Verlag)
Illustrierte Geschichte des Dritte Reiches (Kurt Zentner)
Unser Jahrhundert im Bild (Bertelsmann Lesering)
A World at Arms – A Global History of World War II (Gerhard L. Weinberg)
Krieg der Panzer (Piekalkiewicz)
Luftkrieg (Piekalkiewicz)
World War II – A Statistical Survey (John Ellis)
Chronology of World War II (Christopher Argyle)
Kraftfahrzeuge und Panzer der Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr (Werner Oswald)
Encyclopedia of German Tanks of World War Two (P.Chamberlain, H.L.Doyle)
Soviet Tanks and Combat Vehicles of World War Two (Steven J. Zaloga, James Grandsen)
Datafile – British Tanks and Formations 1939-45 (Malcom A.Bellis)
German Aircraft of World War 2 in Colour (Kenneth Munson)