Schlacht um England 1940.
Vom Unternehmen Seelöwe zur Luftschlacht um England (Battle of Britain) vom Adlertag bis zum ‚Blitz‘.
Die Schlacht um England wurde in der Luft geschlagen, um eine Invasion der Britischen Inseln über See zu verhindern bzw. – vom deutschen Standpunkt – zu ermöglichen. Der deutsche Invasionsplan mit dem Codenamen Unternehmen Seelöwe nahm Gestalt an, nachdem England nach der Niederlage Frankreichs nicht um Frieden gebeten hatte, wie es Hitler eigentlich erwartet hatte.
Unternehmen Seelöwe
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Am 16. Juli 1940 wurde die Wehrmacht angewiesen, dass die deutsche Luftwaffe zuerst die englische Royal Air Force (RAF) niederringen muss, sodass die Kriegsschiffe der Royal Navy ungeschützt sein würden, falls sie die deutschen Invasionsflotten bei ihrer Überquerung des Ärmelkanals angreifen würden.
Für die verhältnismäßig kleine deutsche Kriegsmarine war das Unternehmen Seelöwe ein sehr ehrgeiziges Projekt, wenn auch der Erfolg letztlich von der Luftüberlegenheit und nicht von der Seemacht abhängen würde.
Kriegsbereitschaft der deutschen Seestreitkräfte im August 1940
- Schlachtkreuzer Scharnhorst in Instandsetzung nach Torpedotreffer, kriegsbereit Oktober 1940.
- Schlachtkreuzer Gneisenau in Instandsetzung nach Torpedotreffer, kriegsbereit November 1940.
- Panzerschiff Admiral Scheer in Instandsetzung, kriegsbereit September 1940.
- Panzerschiff Lützow (ex Deutschland) unter Werftliegezeit, voraussichtlich kriegsbereit April 1941.
- Schwerer Kreuzer Prinz Eugen kriegsbereit.
- Schwerer Kreuzer Admiral Hipper unter Werftliegezeit, kriegsbereit voraussichtlich September 1940.
- Leichter Kreuzer Nürnberg kriegsbereit.
- Leichter Kreuzer Leipzig unter Werftliegezeit seit Dezember 1939, kriegsbereit voraussichtlich November 1940.
- Leichter Kreuzer Köln kriegsbereit.
- Leichter Kreuzer Emden im Einsatz als Schulschiff.
- 7 Zerstörer kriegsbereit, 3 unter Werftliegezeit.
- 19 Torpedoboote kriegsbereit, 1 in Fertigstellung.
- 23 Schnellboote (S-Boote) kriegsbereit, 12 in Reparatur oder Überholung.
- 28 U-Boote im Einsatz.
Es standen nur 26 alliierte Divisionen in Großbritannien bereit, mit unzureichenden und veralteten Waffen, Transportmitteln und Panzern und dazu noch verstreut zwischen Kent und Cromarty und ohne die Gewissheit, an welcher Stelle die Deutschen beim Unternehmen Seelöwe landen würden.
Nur die RAF alleine könnte in der Luftschlacht um England die nötige Zeit herausschlagen, um die britische Armee nach der Evakuierung aus Dünkirchen wieder richtig auszurüsten und die 25 erfahrenen, auf die Landungen vorbereiteten und gut ausgerüsteten deutschen Divisionen (darunter zwei Luftlandedivisionen) auf der anderen Seite des Kanals festzuhalten, bis es das stürmische Herbstwetter unmöglich machen würde, das Unternehmen Seelöwe durchgeführt wird.
Siehe: Britische Armee und Home Guard in Westeuropa.
Stärke der deutschen Luftwaffe vor dem Adlertag (13. August 1940)
Luftwaffe: 14 Kampfgeschwader, 8 Jagdgeschwader, 4 Stukageschwader, 3 Zerstörergeschwader verteilt auf die Luftflotte 3 (GFM Sperrle in Paris), Luftflotte 2 (GFM Kesselring in Brüssel) und Luftflotte 5 (Generaloberst Stumpff in Norwegen und Dänemark).
1.700 einsatzbereite Flugzeuge (600 mittlere Bomber, 200 Junkers Ju 87 Sturzkampfbomber, 700 Messerschmitt Bf 109E Jäger, 200 Messerschmitt Bf 110 Zerstörer).
Insgesamt im Westen 2287 Flugzeuge: 734 Bf 109, 268 Bf 110, 336 Ju 87, 949 mittlere Bomber.
Gesamtstärke: 3.000 Flugzeuge (800 Bf 109 Jäger, 300 Bf 110 Zerstörer, 400 Ju 87 Stuka Sturzkampfbomber, 1.500 He 111, Do 17 und Ju 88 Bomber).
Stärke der englischen RAF vor dem Adlertag (13. August 1940)
RAF: 52 Jäger-Staffeln (Fighter Squadrons) in den Jäger-Kommandos (Fighter Commands) 11 (London und Südost-England), 10 (Cornwall und Süd-Wales), 12 (Mittel-England und Nord-Wales), 13 (Nordengland und Schottland) unter dem Kommando von Luftmarschall (Air Marshall) Hugh Dowding.
960 Jagdflugzeuge, davon 704 Hawker Hurricane und Supermarine Spitfire (sowie 289 von diesen in Reserve). Die anderen sind mit den schweren Bristol Blenheim oder zweisitzigen Boulton Paul Defiant Jagdflugzeugen ausgerüstet, welche für die Bf 109 überhaupt keine Gegner sind.
Siehe: RAF-Staffeln am Adlertag
Genaue Zahlen vom 8. August: 527 Hawker Hurricane, 306 Supermarine Spitfire, 82 Bristol Blenheim, 26 Boulton-Paul Defiant (insgesamt 941).
350 Bomber (einschließlich 100 Bristol Blenheim), später 470.
2.000 Flugabwehrkanonen in 7 Flak-Divisionen.
21 einsatzbereite Radarstationen (von Oktober 1940 sind 40 einsatzbereit).
Schlacht um England
Im Juli 1940, als die deutsche Luftwaffe bereitstand von den erst kürzlich besetzten Flugplätzen an der Kanal- und Nordseeküste die englische Royal Air Force anzugreifen, war das Konzept des unabhängigen Luftkrieges kaum aus seinen Kinderschuhen heraus gewachsen und noch fast reine Theorie. Noch nie war eine reine Luftschlacht zwischen zwei etwa gleichstarken Gegnern ausgetragen worden, bevor es ab dem 10. Juli 1940 zur sogenannten Schlacht um England über Südengland und Südwales kam. Der Begriff ‚Battle of Britain‘ stammte ursprünglich von Churchill und wurde zur allgemeinen Bezeichnung für die Luftschlacht.
Während der nächsten 15 Wochen wurde so ziemlich jeder Aspekt der Philosophie, Theorie und Praxis von der Ausübung von Luftmacht und dem Entwurf von Militärflugzeugen auf die Probe gestellt.
Zum Nachteil von Hitler und seinem korpulenten Luftwaffen-Oberbefehlshaber, Reichsmarschall Hermann Göring, stellte sich heraus, dass die deutsche Luftwaffe weder eine qualifizierte Führung, noch geeignete Taktiken oder auch Ausrüstungen für ein derartiges Unternehmen hatte. Kurzstreckenflugzeuge wie die Bf 109-Jäger oder die Ju 87 Sturzkampfbomber, schwerfällige zweimotorige Zerstörer vom Typ Bf 110 und unzureichend bewaffnete Mittelstreckenbomber – von denen keines für Einsätze entworfen wurde, welche die Luftschlacht um England oder die nächtlichen Terrorangriffe auf Städte (als ‚the Blitz‘ von den Briten bezeichnet) charakterisierten.
Die Ergebnisse der ‚elektronischen Kriegsführung‘ waren vom deutschen Standpunkt aus ebenfalls unglücklich. Die Radio-Leitstrahlen in Richtung der Ziele in den englischen Städten wurden ausnahmslos erkannt und von den Engländern gestört, während die Radarstationen der RAF unschätzbar wertvolle Frühwarnungen über die deutschen Angriffsverbände gaben. So konnte die RAF ihre Hurricane- und Spitfire-Staffeln mit maximaler Konzentration einsetzen und vermied es, diese in ständigen Luftpatrouillen vor der englischen Küste zu verzetteln. Die RAF profitierte auch aus den geheimen Informationen, welche von den deutschen ‚Enigma‘-Nachrichten der Luftwaffe entziffert wurden.
Die begrenzte Reichweite ist die Achillesferse der deutschen Bf 109 Jägers, da sie nicht genug Flugzeit über Südengland hatte, um während der Schlacht um England erfolgreich die Jäger der RAF bekämpfen zu können.
Ein weiterer Nachteil, mit dem die deutsche Luftwaffe in der Luftschlacht um England zu kämpfen hatte, war die Tatsache, dass jede über Großbritannien abgeschossene Flugzeugbesatzung verloren war, während ein abgeschossener englischer Pilot, der mit seinem Fallschirm abspringen konnte, schon zumeist nach kurzer Zeit wieder einsatzbereit war.
Zu früh nahmen die Deutschen nun die Flugzeugfabriken selbst auf die Zielliste, eine Taktik welche einige Erfolge erzielte als z.B. alleine in Coventry im November ein Dutzend Produktionslinien zerstört wurden. Aber das Verlustverhältnis verschlechterte sich wieder fast auf Zwei für Einen.
Der Blitz
Frustriert durch die Hartnäckigkeit des RAF-Jäger-Kommandos verschob Hitler das Unternehmen Seelöwe, die Invasion von England, auf unbestimmte Zeit.
In der Zwischenzeit nahm Göring Zuflucht in improvisierte Taktiken und Terrorangriffe. Von Anfang Oktober an drangen bei Tage Schwärme von Messerschmitt Bf 109 – viele von diesen provisorisch als Jagdbomber umgerüstet – über die Straße von Dover nach Südengland ein und flogen Tiefflugangriffe. Diese zwar äußerst lästigen und anstrengenden Angriffe für den Verteidiger hatten aber keinen entscheidenden Effekt. In der Nacht flog die deutsche Luftwaffe wiederholte ‚Vergeltungsangriffe‘ auf britische Städte wegen der RAF-Angriffe auf Berlin.
Obwohl die Verteidigung der britischen Städte nur unzureichend war, vergab es die Luftwaffe diese einmalige Gelegenheit zu nutzen. Einer der Gründe dafür war das Fehlen eines schweren, viermotorigen Bombers – vergleichbar mit dem späteren Avro Lancaster der RAF – aber viel wichtiger war der ungeschickte Einsatz der 700 zur Verfügung stehenden mittleren Bomber. Anstelle der Durchführung einer begrenzten Anzahl von verheerenden Angriffen auf ausgewählte Ziele (wie Flugzeugfabriken, Kraftwerke, Tanklager oder Häfen) befahl Göring lang anhaltende ‚Prozessionen‘ von Bombenangriffen auf London, welche verstreut über weite Teile der Stadt niedergingen und 10 oder mehr Stunden in der Nacht andauerten. Diese Taktik ermöglichte es der Feuerwehr und Rettungsmannschaften sich nacheinander mit einzelnen Schäden zu befassen und so waren sie selten in der Gefahr von einer Vielzahl von Bränden überwältigt zu werden, so wie es bei den RAF-Angriffen auf deutsche Städte ab Juli 1943 der Fall war.
Ebenso wurde die Moral der Zivilbevölkerung unterschätzt, welche nach einer allgemeingültig anerkannten Theorie aus den 30er Jahren längeren Luftangriffen nicht standhalten würde. Aber Göring zersplitterte seine Bemühungen noch weiter, indem er ab Mitte November 1940 seine Nachtbomber auf 15 weitere Städte und Häfen neben London ansetzte.
Obwohl schlechtes Wetter und die nicht gegen Regen ausreichend vorbereiteten französischen Feldflugplätze den Blitz über den Winter schwer behinderten und dies zu vielen deutschen Flugzeugverlusten führte, wurden die Angriffe auf England im März 1941 wieder in voller Wucht aufgenommen. Glasgow und Clydeside, Plymouth, Belfast, Liverpool und London kamen unter eine Serie von deutlich konzentrierteren und genaueren Nachtangriffen als jemals zuvor.
Viele befürchteten, dass diese Angriffe das Vorspiel für die lange befürchtete Invasion von England durch das Unternehmen Seelöwe waren. Wir wissen jedoch heute, dass es sich lediglich um ein aufwendiges Ablenkungsmanöver handelte, um Hitlers Pläne für das Unternehmen Barbarossa, den Angriff auf Russland, zu verschleiern.
Während des gesamten ‚Blitz‘ von September 1940 bis Mai 1941 wurden mehr als 40.000 britische Zivilisten getötet (davon die Hälfte in London), 46.000 wurden schwer verletzt und weit über 1 Million Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Rund 2.500 deutsche Flieger starben in den Trümmern von etwa 600 verlorenen Bombern. Insgesamt verlor die deutsche Luftwaffe seit Juli 1940 etwa 2.400 Flugzeuge und war sowohl daran gescheitert, die Luftüberlegenheit zu erringen – was eine entscheidende Voraussetzung für jede deutsche Invasion war – noch konnte sie die britische Bevölkerung zur Aufgabe terrorisieren.
Quellenangaben und Literatur
Der Grosse Atlas zum II. Weltkrieg (Peter Young)
Chronology of World War II (Christopher Argyle)
Das große Buch der Luftkämpfe (Ian Parsons)
Luftkrieg (Piekalkiewicz)
Die Schlacht um England (Bernard Fitzsimons, Christy Campbell)
World War II – A Statistical Survey (John Ellis)
Es gibt ein neues Buch, dass einen anderen Ansatz zur Operation Seelöwe propagiert.
Zunächst im wesentlichen eine Luftlandung im Juli (!!) 1940, mit begrenztem Umfang (mehr wäre logistisch nicht zu bewältigen gewesen) um die Royal Navy und die RAF in einem begrenzten Gebiet zur Reaktion zu zwingen und diese zu zerstören, dann als 2. Phase Ausweitung der Landung.
Der Autor nennt folgende Prämissen:
„Nur wenige, auch damals mögliche Bedingungen wären nötig gewesen, um Seelöwe zum Erfolg zu bringen:
1. Die Planung für Seelöwe hätte als Kontingenzplanung schon im Frühjahr 1940 parallel zum Plan Gelb, dem Plan zum Blitzkrieg in Frankreich, durchgeführt werden können. Der Beginn der Landung hätte möglichst umgehend nach dem Fall Dünkirchens erfolgen müssen.
2. Zusatztanks für Me 109 Jäger hätten frühzeitig produziert werden können (technisch kein Problem).
3. Die Ausbildung mehrerer deutscher Bomberverbände als Doppelrolle im Torpedoeinsatz.
4. Der Beginn der Bekämpfung der RAF Infrastruktur schon Anfang Juli, statt des unsinnigen Kanalkampfes.
5. Die Ultimative Aufforderung an die Vichy Regierung Panzer, Artillerie, Flugzeuge und Handelsschiffe der deutschen Wehrmacht zur Nutzung zu übergeben.
6. Keine Bombardierung Londons sondern Vernichtung der RAF und Royal Navy
7. Der klare politische und militärische Wille Seelöwe durchzuführen
8. Eine Landung zunächst primär als Luftlandung“
Den meisten von uns dürfte klar sein, dass die ursprüngliche Planung für Seelöwe mit den Mitteln der Kriegsmarine nicht möglich gewesen wäre.
Das Buch gibt gute Einblicke in die erforderliche strategische Planung, mir gefällt es!
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Im grossen und ganzen stimmt,was der Autor sagt,aber als ich 2001 in Duxfort war sagten mir deutsche und englische Piloten,dass es ein Fehler war die Flugplätze nicht weiter zu bombardieren,sondern Städte zu attackieren.
Hätte man die RAF Basen weiter bombardiert,hätte es kippen können.