Die Feldzüge von 1941: Teil II in Russland.
Truppenaufmarsch im Osten, Unternehmen Barbarossa, Schlacht um Moskau, Beginn des Weltkriegs.
Hier zu Teil I: Die Feldzüge von 1941: Teil I auf dem Balkan.
Truppenaufmarsch im Osten
Kreta ist in deutscher Hand. Und jetzt rollen die Truppentransportzüge durch Griechenland und die anderen Balkanstaaten nicht mehr südwärts, sondern nach Nordosten. Mussolinis missglückter Angriff auf Griechenland und die daraus entstandenen Folgen haben Hitler zwar zum Eingreifen gezwungen und dazu, das Unternehme Barbarossa zu verschieben – aber nicht aufzuheben.
Am 6. Mai ist Yussup Dshugashwili, der sich seit vielen Jahren schon Josef Stalin nennt, Vorsitzender des Rates der Volkskommissare geworden, also sowjetischer Ministerpräsident. Er vereinigt damit nun auch formell die gesamte Macht in seiner Hand, nachdem er bisher ’nur‘ Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewesen ist. Skrjabin-Molotow bleibt Außenminister.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion sind seit dem Besuch Molotows in Berlin um vieles kälter geworden. Aber die vielen deutschen Erfolge scheinen Stalin zu veranlassen, die eingefrorenen Beziehungen wieder aufzutauen. Hat er plötzlich Angst vor der anscheinend unbesiegbaren deutschen Wehrmacht – oder braucht er nur Zeit für eigene neue Aggressionen ?
Die ins Stocken geratenen Lieferungen an Deutschland erfolgen wieder pünktlich, die Sowjetunion macht sogar zusätzlich Angebote über den Rahmen der Wirtschaftsverträge hinaus.
Der neue ‚Ministerpräsident‘ Stalin tut auf außenpolitischem Gebiet noch ein übriges. So wie er vor einem Jahr die deutschen Diplomaten aus den baltischen Hauptstädten Riga, Reval und Kaunas ausgewiesen hat, so lässt er jetzt die noch immer in Moskau akkreditierten Botschafter und Gesandten Belgiens, Norwegens, Jugoslawiens und Griechenlands ausweisen.
Doch solche Maßnahmen sind jetzt nicht mehr in der Lage, Hitlers Vorbereitungen für den Angriff auf die Sowjetunion aufzuhalten, denn zur gleichen Zeit mehren sich die Nachrichten von sowjetischen Truppenzusammenziehungen an der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie in Polen.
Heute ist die Ursache für Stalins plötzliches Einlenken bekannt, Chruschtschow hat auf dem berühmt gewordenen 20. Parteitag darüber gesprochen. Die Rote Armee befindet sich im Frühjahr 1941 gerade in einer grundlegenden Umrüstung und Modernisierung. Veraltete Panzer werden durch den neuen T-34 ersetzt, der jedem deutschen Panzer überlegen ist. Veraltete Feldgeschütze werden den Artillerieeinheiten entzogen, die dafür die Salven-Raketengeschütze Katjuscha erhalten sollen, die von den deutschen Landsern später ‚Stalin-Orgeln‘ genannt werden. Die sowjetischen Fliegerdivisionen werden mit dem modernen zweimotorigen Allzweck-Kampfflugzeug Il-2 Stormowik ausgerüstet.
Ein deutscher Angriff mitten in diese Umrüstung hinein muss katastrophale Folgen haben. Oft sind bei einer Artillerieeinheit die alten Geschütze bereits abgegeben worden, aber noch keine neuen vorhanden. Sind die neuen Geschütze da, so fehlt noch die neue, andersartige Munition. Moderne Flugzeuge werden der Roten Luftwaffe zur Verfügung gestellt – aber es sind noch nicht genügend Piloten für sie ausgebildet.
Vor allem aber: Die Rote Armee hat sich noch immer nicht von dem Schlag erholt, den ihr Stalin mit der Liquidierung der gesamten militärischen Führung im Sommer 1937, vor vier Jahren, zugefügt hat.
Deshalb Stalins Beschwichtigungsversuche, obwohl er inzwischen genaue Nachrichten vom bevorstehenden deutschen Angriff bekommt. Nur eine Woche vor Beginn des Unternehmens Barbarossa lässt Stalin über die Nachrichtenagentur TASS eine offizielle Verlautbarung der Sowjetregierung in die Welt hinausgehen, in der es heißt, ‚die allgemein verbreiteten Gerüchte über einen nahe bevorstehenden Krieg zwischen der UdSSR und Deutschland‘ seien unsinnig und nichts als ‚eine plump zusammengebraute Propaganda der gegenüber der Sowjetunion und Deutschland feindlich eingestellten Kräfte‘. Weder wolle Deutschland die Sowjetunion angreifen, noch bereite sich die Sowjetunion etwa auf einen Krieg gegen Deutschland vor. Alle derartigen Gerüchte seien ‚erlogen und provokatorisch‘.
Als diese Sowjet-amtliche Erklärung erscheint, findet im Führerhauptquartier die letzte Besprechung über den unmittelbar bevorstehenden Angriff statt. Und Hitler stellt dabei erstmals fest, dass dieser in der folgenden Woche beginnende Krieg sich vollkommen von allen bisherigen Kriegen unterscheiden werde. Generalfeldmarschall Keitel, der Chef des OKW, hat später im Nürnberger Prozess darüber ausgesagt: ‚Es wurde an die Spitze gestellt, dass es sich hier um den Entscheidungskampf zweier Weltanschauungen handelte, und dass diese Tatsache es nötig machte, dass an die Führung in diesem Kriege, die Methoden, wie wir Soldaten sie kannten und wie wir sie allein für völkerrechtlich richtig hielten, ein völlig anderer Maßstab angelegt werden müsse.‘
Unternehmen Barbarossa
Fünf Wochen später als ursprünglich geplant, vielleicht um fünf bedeutsame Wochen zu spät, beginnt der Krieg der ‚Weltanschauungen‘ mit dem Unternehmen Barbarossa. Im Morgengrauen des 22. Juni 1941 überschreiten deutsche Truppen die deutsch-sowjetische Grenze. Zwei Riesenreiche sind zum Kampf auf Leben und Tod angetreten, die blutige, brennende Front reicht quer durch Europa, vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer, bald auch bis zum Kaukasus.
So wie bisher in jedem Feldzug seit dem 1. September 1939 stürmt auch jetzt die deutsche Wehrmacht wieder sieggewohnt voran. Es scheint fast, als habe Hitler recht gehabt, als er bei der Besprechung im Führerhauptquartier am 14. Juni zu den Militärs gesagt hat: ‚Was ich von Ihnen verlange, ist nur eins: die Tür mit einem kräftigen Stoß einzutreten. Das Haus fällt dann von ganz allein zusammen !‘
Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit, trotz der viel größeren Zahl an Waffen – der deutschen Panzerarmee Kleist zum Beispiel, die über 600 Panzer verfügt, steht die sowjetische Heeresgruppe Budjonny mit mehr als 2.400 Panzern gegenüber -, trotz des besseren vertraut seins mit dem unwegsamen Gelände wird die Rote Armee gezwungen, sich fluchtartig zurückzuziehen.
In Ostpolen, in Weißrussland, in der Ukraine und vor allem in den erst kürzlich von den Bolschewisten unterjochten Ländern Estland, Lettland und Litauen werden die deutschen Soldaten von der Bevölkerung jubelnd als Befreier begrüßt. In westeuropäischen Ländern melden sich zahlreiche Freiwillige bei deutschen Dienststellen, die gegen die Sowjetunion kämpfen wollen. Selbst in neutralen Ländern, in Spanien etwa und in Schweden, melden sich Freiwillige, die auf deutscher Seite kämpfen wollen.
Am 22. Juni hat Molotow vormittags über den Rundfunk zum sowjetischen Volk gesprochen. ‚Der große Stalin‘, der ‚weise Vater der Völker‘, der ‚geniale Führer der Werktätigen der ganzen Welt‘ aber lässt nichts von sich hören und sehen. Erst am 3. Juli rafft er sich dazu auf, zum Volk zu sprechen. Zu dieser Zeit sind schon mehr als eine Million Rotarmisten in deutscher Gefangenschaft, sind Tausende von sowjetischen Flugzeugen und Panzern abgeschossen, stehen die deutschen Truppen schon tief in Stalins Land.
Eine ‚Kesselschlacht‘ folgt auf die andere, eine feindliche Armee nach der anderen wird eingeschlossen und vernichtet. Es scheint, als ob die Optimisten recht behalten sollen, die stets die Meinung vertreten haben, die Sowjetunion sei ein ‚Koloss auf tönernen Füßen‘.
Unaufhaltsam scheint die Flucht der Roten Armee zu sein, die nur dort gestoppt wird, wo deutschen Panzer noch schneller als die flüchtenden Feindarmeen sind und sie einkreisen.
Stalin befiehlt den ‚Totalen Krieg‘. Jedes sowjetische Dorf muss in Brand gesteckt werden, bevor die Deutschen kommen. Kolchosen und Staatsgüter werden angezündet. Elektrizitätswerke werden gesprengt, Versorgungsbetriebe in die Luft gejagt, Lebensmittellager unbrauchbar gemacht, Eisenbahnschienen herausgerissen.
Es hilft nichts, der Siegeszug der deutschen Soldaten scheint durch nichts und niemanden aufzuhalten zu sein.
Am 9. Oktober 1941 spricht Hitler in Berlin zur Eröffnung des Winterhilfswerkes und erklärt dabei, dass der Feind vernichtend geschlagen sei und sich nie mehr erheben werde.
Wieder einmal scheint es, als stünde der Friede dicht bevor. Wenn die Rote Armee solche ungeheuren Verluste erlitten hat, wenn die deutschen Truppen nun schon vor der bolschewistischen Hauptstadt stehen dann muss Stalins Sklavenreich jeden Augenblick zusammenbrechen.
Hoffnung breitet sich aus. Vielleicht sind die Soldaten zu Weihnachten wieder zu Hause ? Goebbels bezeichnet Hitler als den ‚Größten Feldherrn aller Zeiten‘, woraus die ewig spottlustigen Berliner die Abkürzung ‚Gröfaz‘ machen.
Aber es scheint doch zu stimmen. Wenn die Sowjets zusammenbrechen, dann ist das der größte Sieg, der je von einer Armee errungen wurde, ein Sieg, der selbst so berühmten Heerführern wie König Karl XII. von Schweden oder Napoleon versagt geblieben ist.
Aber nun macht sich die Verzögerung bemerkbar, die durch Mussolinis griechisches Abenteuer eingetreten ist. Jetzt fehlen genau die fünf Wochen, die die Wehrmacht wegen des ‚dazwischengekommenen‘ Balkan-Feldzuges später zum Kampf gegen das bolschewistische Riesenland angetreten ist.
Schlacht um Moskau
Am 14. November 1941 meldet die amerikanische Nachrichtenagentur United Press aus Berlin: ‚An den Fronten können die Deutschen offensichtlich nur noch schrittweise vorrücken oder sie sind überhaupt zum Stillstand gekommen. Der zuständige Militärsprecher in Berlin erklärte, die Operationen würden immer noch durch das schlechte Wetter erschwert …‘
Es ist so: Die deutsche Offensive vor Moskau ist im Herbstschlamm steckengeblieben. Panzer, Geschütze, Lastkraftwagen, Verpflegung-Kolonnen versinken im unermesslichen Dreck des weiten russischen Landes.
Aber es geht noch einmal weiter. Nach einigen Tagen setzt vor Moskau Kälte ein. Der grundlose Morast gefriert und wird wieder fest. Die deutschen Panzer und Fahrzeuge rollen wieder. Doch diesmal nicht lange. Den Sowjets kommt der General zu Hilfe, der vor 131 Jahren, 1812, den unbesiegbar scheinenden Kaiser Napoleon zum Rückzug zwang: der ‚General Winter‘.
Die zunächst als Rettung gegen Schlamm und Morast begrüßte Kälte wird immer grimmiger. Die Schlösser der Gewehre, Maschinengewehre und Maschinenpistolen verklemmen sich. Die Verschlüsse der Geschütze lassen sich nicht mehr bewegen. Das Öl in den Panzermotoren wird fest, die Motoren springen nicht mehr an. Die Funkverbindungen der kämpfenden Truppe zu den Kommandostellen brechen ab - die Verstärker sind eingefroren, die Akkumulatoren bersten in der Kälte.
Am 5. Dezember kommt die große Wende in der Entscheidungsschlacht um Moskau. Das Thermometer zeigt 37 Grad Kälte an. Ein Schneesturm tobt, der alle blind macht, jede Wegmarkierung auslöscht. Generalfeldmarschall Fedor von Bock, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, die in einem dreihundert Kilometer langen Halbkreis um Moskau liegt, muss dem Führerhauptquartier melden, dass ein weiterer Vormarsch unmöglich sei.
Der Oberbefehlshaber des Heeres, Generalfeldmarschall Walter von Brauchitsch, erklärt dem Generalstabschef Halder, er wolle zurücktreten. Am Tag darauf greifen erstmals die Sowjets an.
In der Morgenfrühe des 6. Dezember stürmen rote Elitedivisionen mit lautem Kriegsgeschrei auf die vordersten deutschen Stellungen los. Elitedivisionen – nicht die bisher vor Moskau zur Verteidigung eingesetzten Arbeiter-Bataillone aus Männern, Frauen und Kindern ! Es sind in der Mehrzahl sibirische Divisionen, die Stalin aus dem Fernen Osten herangeholt hat.
Stalins bester Spion, jahrzehntelang von den Sowjets totgeschwiegen und erst dann postum geehrt, hat das zustande gebracht und dadurch mit dazu beigetragen, Moskau, die Sowjetunion, zu retten. Die Divisionen sind bisher zum Schutz Sibiriens gegen Japan eingesetzt gewesen, Dr. Richard Sorge aber hat aus Tokio gemeldet, dass Japan mit aller Sicherheit neutral bleiben und auf keinen Fall die Sowjetunion angreifen werde. So hat Stalin den Rücken frei und kann seine wenigen noch vorhandenen Eliteeinheiten bedenkenlos in die Schlacht um Moskau werfen.
Die Sibiriaken sind hervorragend ausgerüstet, sie sind frisch und ausgeruht, sie sind vor allem erfahren in Kälte, Schnee und Eis. Die am weitesten vorgedrungenen deutschen Truppen müssen weichen.
Hitler in seinem Führerhauptquartier ist entsetzt. Die Front muss halten ! Wenn die Soldaten einmal ins Laufen kommen, dann ist alles verloren, dann gibt es kein Halt mehr. Generalfeldmarschall von Bock ist bereits durch Generalfeldmarschall von Kluge abgelöst worden, weil Hitler Kluge mehr Standfestigkeit zutraut.
Aber auch Marschall von Kluge ist angesichts der Gesamtlage für einen Rückzug. Hitler beschwört den Marschall, keinen Rückzug zuzulassen, und verwirft jedes andere Argument.
Die Kälte ? Weiter hinten herrscht die gleiche Kälte, dagegen hilft ein Rückzug also gar nichts.
Wie weit soll denn der Rückzug gehen ? Es gibt keine Auffangstellungen, in die die Soldaten sich weiter rückwärts retten könnten. In dem metertiefen gefrorenen Boden können auch keine solchen Stellungen angelegt werden.
Überlegener Feind ? Na bitte: Dann muss man erst recht Front zu ihm machen, wenn man flüchtet und dem Feind den Rücken zukehrt, dann wird er noch überlegener. Die Überlegenheit des Gegners kann man nur dadurch verringern, dass man sich ihm entgegenstellt und versucht, ihm soviel Verluste wie möglich beizubringen. Auf der Flucht kann man das nicht.
Hitler setzt sich schließlich durch. Brauchitsch hat inzwischen schon zweimal seinen Rücktritt als Oberbefehlshaber des Heeres angeboten. Am 19. Dezember stimmt Hitler endlich zu. Der letzte Oberbefehlshaber des deutschen Heeres geht. Der letzte – denn Hitler setzt keinen Nachfolger ein, sondern übernimmt die Führung des Heeres unmittelbar selbst.
Zum Weltkrieg
Es gelingt, nach einigen geplanten und von Hitler bewilligten Frontverkürzungen, die Front vor Moskau den Winter über zu halten. Bis zum Frühjahr 1942 gibt es keinen deutschen Vormarsch mehr, aber auch keinen solchen katastrophalen Rückzug, wie ihn die Grande Armee Napoleons hinnehmen musste.
Erstmals in diesem Kriege aber, der die deutschen Soldaten bisher stets als Sieger gesehen hat, werden bei Demjansk und Cholm deutsche Truppen eingekesselt. Sie halten sich monatelang und werden im Frühjahr 1942 schließlich durch die wieder vorstürmenden eigenen Truppen befreit.
Inzwischen ist der Krieg zum Weltkrieg geworden. Die USA sind nun auch offiziell im Krieg mit Deutschland, nachdem sie schon lange Monate einen Wirtschafts- und Seekrieg gegen Deutschland geführt haben, ohne je offen den Krieg zu erklären. Am 7. Dezember hat Japan mit Flugzeugen den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf den Hawaii-Inseln angegriffen und Hitler hat darauf am 11. Dezember seinerseits den USA den Krieg erklärt.
Zunächst wirkt sich die Teilnahme Amerikas am Kriege noch nicht sichtbar aus, noch kämpfen nirgendwo in Europa amerikanische Soldaten.
Quellenangaben und Literatur
Krieg der Panzer (Piekalkiewicz)
Der 2. Weltkrieg (C. Bertelsmann Verlag)
Zweiter Weltkrieg in Bildern (Mathias Färber)
A World at Arms – A Global History of World War II (Gerhard L. Weinberg)
Der Grosse Atlas zum II. Weltkrieg (Peter Young)
Historical Atlas of World War Two – The Geography of Conflict (Ronald Story)
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