Entsatz von Tobruk


August 1941 bis zur Aufhebung der Belagerung von Tobruk durch die Entsatz-Offensive im Dezember 1941 (Teil II). Von den verschlechterten Bedingungen und der Ablösung der Australier durch Polen und dem Entsatz.

Britische Truppen erreichen Tobruk
Britische Truppen haben die Belagerung von Tobruk am 10. Dezember 1941 aufgehoben.

t_arrow2Vorherige Seite: Teil I: Belagerung von Tobruk

Verschlechterte Bedingungen in Tobruk


Im Laufe der Zeit wurden die Bedingungen in der belagerten Festung immer schlimmer – eine Tatsache, die sich Rommel sehr wohl bewusst war. In einem Schreiben nach Hause zu seiner Frau im Juni teilt er mit: ‚Wasser in Tobruk ist sehr knapp, die britischen Soldaten erhalten nur noch einen halben Liter pro Tag. Mit unserer Stukas hoffe ich, dass ihre Rationen noch weiter beschnitten werden. Die Hitze wird von Tag zu Tag schlimmer und … der Durst wird fast unstillbar.‘

Churchill war auch sehr empfindlich auf die Bedeutung von Tobruk und die Rolle, die es bei dem Feldzug im Nahen Osten spielen könnte. Nachdem Tobruk wieder einmal erfolgreich einen der vielen Angriffe der Achsentruppen abgeschlagen hatte, schickte er ein Telegramm: ‚Bravo, Tobruk ! Wir halten es für wichtig, dass Tobruk als Ausfalltor erhalten bleibt.‘

Dies taten die Australier und Briten auch dort, wenn auch oft ihre Bemühungen durch Ereignisse an anderen Orten überschattet wurden. Die Augen der Welt waren auf die Luftlandung auf Kreta, dem deutschen Angriff auf Russland und – etwas näher für die bedrängte Garnison – auf die gescheiterte Operation ‚Battleaxe‘ gerichtet.
Dennoch setzten die australischen und britischen Truppen in Tobruk ihre Rolle fort, den entscheidenden strategischen Faktor für beide Seiten im Krieg in Nordafrika zu spielen.

Abzug der Australier

Ab August 1941 erhielt Churchill von der australischen Regierung Forderungen nach einem Rückzug derer Truppen aus Tobruk. Bereits als erste Reaktion auf diesen Druck, hatte Auchinleck eine der australischen Brigaden durch die polnische Karpaten-Brigade unter Generalleutnant S. Kopanksi abgelöst, aber dies war nicht genug.
Bis Anfang September war Fadden, Premierminister von Australien, fest entschlossen geworden, dass alle australischen Truppen aus Tobruk zurückgezogen werden müssten. Der Grund, den er dafür vorbrachte, war: ‚… um ihnen Gelegenheit zur Erholung, Wiederherstellung der Disziplin und Neuausrüstung zu geben, sowie die öffentliche Meinung in Australien ruhig zustellen.‘

Von der australischen Regierung wurde auch gesagt, dass sie ‚besorgt über den Rückgang des gesundheitlichen Zustandes ihrer Truppen in der Festung sei, und vor der Gefahr einer Katastrophe, welche sich bei einer weiteren Reduzierung des Gesundheitszustandes im Falle eines entschlossenen Angriffs abzeichnete.‘

Allerdings scheint es keine Beweise dafür zu geben, dass die australischen Truppen von sich aus lautstark ihre Ablösung verlangt hätten. Sie hatten fünf Monate lang mit Nachdruck und Entschlossenheit unter den schwierigsten Bedingungen gekämpft und sie hätten wahrscheinlich die Belastungen auch länger durchgehalten, wenn es ihnen befohlen worden wäre.
Im September wurde der Rest der Australier dennoch durch die 70. britischen Division ersetzt. Deren Befehlshaber Generalmajor R M. Scobie übernahm auch das Kommando über die Garnison von Tobruk.

Es war kein einfacher Austausch. Die Schiffe, welche die britische 70. Division hereinbrachen und die Australier mit zurücknahmen, unterlagen dabei heftigen Luftangriffen, bei denen der Minenleger Latona versenkt und der Zerstörer Hero beschädigt wurde.

Britische leichte Artillerie auf LKW's
Britische leichte Artillerie auf LKW’s bei der Verteidigung von Tobruk.

Als die polnische Brigade Mitte August eintraf, teilte General Morshead ihnen den vergleichsweise ruhigen, südlichen Abschnitt zu. Erst nach ein paar Wochen übernahmen sie, zusammen mit der Durham Light Infantry und den Black Watch, den westlichen Abschnitt an der feindlichen Einbruchsstelle.


Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte dieser Abschnitt alle Anzeichen einer viermonatigen Belagerung. Das ‚Niemandsland‘ zwischen den feindlichen Vorposten war dicht mit einem Teppich aus Minen und Sprengfallen überzogen und es lagen verstreut nicht begrabene Leichen von Soldaten beider Seiten herum.
Dafür befanden sich die Verteidigungsstellungen – wenn sie überhaupt so genannt werden konnten – in dem gleichen, primitiven Zustand wie zu Beginn. Es waren nur schmale und flache Gräben, in denen es keinen Platz zum Sitzen oder Knien gab. An einigen Stellen gab es sogar nichts anderes, als flache, aus Steinen improvisierte Brustwehren.

Die exponierte Art der Vorwärtsverteidigung im westlichen Abschnitt machte jede Bewegung im Tageslicht unmöglich. Wenn erst einmal die Sonne aufgegangen war, konnte die Truppe nicht mehr ihre primitiven Stellungen verlassen, noch konnten Reserven oder Nachschub sie erreichen. Selbst das nackte Überleben wäre unmöglich geworden, hätte es nicht eine der seltsamen gegenseitigen, unausgesprochenen Vereinbarungen, wie sie manchmal in Kriegen an einigen Stellen vorkommt, gegeben.
Beide Seiten beachteten eine inoffizielle, zweistündige Feuerpause, welche mit der Dämmerung begann. Während dieser Zeit eröffnete niemand das Feuer auf den Gegner und die Soldaten beider Seiten konnten sich sicher aus ihren engen Stellungen herausbewegen. Lebensmittel, Wasser und Munition konnten zu den vordersten Linien herangebracht werden und das Leben konnte für die Soldaten beider Seiten etwas erträglicher gestaltet werden.

Jede Nacht zeigten die Deutschen das Ende des zweistündigen Waffenstillstands durch das Feuern einer Salve von Leuchtspurgeschossen in die Luft an und danach herrschte ‚Business as usual‘.

Eine weitere, gegenseitig akzeptierte Gewohnheit, war das Hissen einer Rot-Kreuz-Flagge, wenn ein Soldat verwundet wurde. Das Feuer zog von dieser Stelle ab und Krankenträger konnten sich der Stelle nähern, wo der Verwundete lag. Es kam sogar in zwei oder drei Fällen vor, dass es Krankenwagen erlaubt war, unbehelligt auf das Schlachtfeld zu den Rot-Kreuz-Flaggen zu fahren, wenn die Verluste außergewöhnlich hoch waren.

Polnische Truppen in Tobruk

Als die polnischen Truppen den westlichen Abschnitt von den Australiern übernahmen, war es ihr erster Instinkt, derartige Waffenstillstandsvereinbarungen nicht anzuerkennen. Sie waren alle Männer, welche unter großem persönlichen Risiko vor den Deutschen entkommen waren, welche auch noch brutale Unterdrückung-Methoden in ihrem Heimatland anwendeten. Daher gab es eine starke emotionale Ablehnung der Polen gegenüber allem, was nach der Art eines Paktes mit den Deutschen aussah.

Der polnische Kommandeur, General Kopanski, erkannte jedoch, dass jede Änderung des Verhaltens seiner Truppe an den üblichen Gewohnheiten, die Deutschen auf den Umstand aufmerksam machen würde, dass ein Austausch der Einheiten stattfindet, was die Verteidiger natürlich so lange wie möglich geheim halten wollten.
Dementsprechend befahl er seinen Bataillonskommandeuren, den Waffenstillstand weiterhin einzuhalten und die Waffenstillstandsvereinbarungen der Australier zu übernehmen, was sie schließlich auch mit einem gewissen Widerwillen taten
Nach einigen Tagen in diesem Abschnitt fingen die Polen jedoch auch von selbst anzuerkennen, welchen praktischen Wert der zweistündige, nächtliche Waffenstillstand hatte, da sonst ihre vorderen Stellungen unweigerlich an Durst und Hunger zugrunde gehen würden.

Polnische Soldaten in Tobruk
Polnische Soldaten bei der Verteidigung von Tobruk.

Aber sie stellten das Hissen der Rot-Kreuz-Flagge so schnell wie möglich ein. Jede Stellung wurde mit medizinischer Ausrüstung versorgt und einige improvisierte Chirurgie-Stationen eingerichtet, wodurch es in den meisten Fällen für die Verwundeten möglich war, auf ihre Evakuierung bis zum zweistündigen Waffenstillstand in der Dämmerung zu warten.
Trotzdem hissten die Deutschen und Italiener weiterhin ihre Rot-Kreuz-Flaggen zur Evakuierung ihrer Verwundeten bei Tageslicht. Obwohl die Polen nicht das Feuer auf die Träger eröffneten, half die Flagge – wie es General Kopanski ausdrückte – ’stark bei der Lokalisierung der feindlichen Stellungen, wodurch es später effizienter möglich war, diese zu bekämpfen und weitere Opfer zu verursachen‘.

Nachdem die Ablösung der 9. australischen Division durch die 70. britische Division abgeschlossen war, gab es jetzt in Tobruk drei Infanterie-Brigaden (14., 16. und 23.), eine Panzerbrigade (32., bestehend aus dem 1. und 4. Royal Tank Regiment und je einer Abteilung des 7. Royal Tank Regiment und der King’s Dragoon Guards), sieben Artillerie-Regimenter plus eine Flak-Artillerie-Brigade, eine tschechisches Bataillon, ein Maschinengewehr-Bataillon der Royal Northumberland Fusiliers, ein australisches Bataillon und – später – zwei neuseeländische Bataillone mit unterstützender Artillerie.


Entsatz von Tobruk

Dies waren die Streitkräfte, mit denen General Scobie befahl, aus Tobruk auszubrechen und sich mit der koordinierten Offensive der britischen 8. Armee zu verbinden: der ‚Operation Crusader‘.

Im Inneren der belagerten Festung beschloss General Scobie, dass die Besatzung von Tobruk durch den Belagerungsring des Feindes im östlichen Abschnitt durchbrechen sollte, um auf die sich nähernden Einheiten der 8. Armee zu treffen. Das war die Aufgabe der 14. Infanterie-Brigade (Black Watch, Bedfordshire und Hertfordshire-Regiment, York und Lancaster-Regiment) unter seinem Kommandanten, Brigadegeneral B.H. Chappel, zusammen mit der Unterstützung der Panzer der 32. Tank-Bigade und den Maschinengewehrschützen der Royal Northumberland Fusiliers.

Der Ausbruch wurde für den 22. November für die Dämmerung geplant. Aber drei Stunden vor dem Ausbruch, sollte die polnische Brigade einen Ablenkungsangriff aus dem westlichen Abschnitt durchführen, welchem ein schweres Artilleriefeuer vorausgehen sollte.
Während der Stunden der Dunkelheit in der Nacht 21./22. November zogen die Truppen von Tobruk zu ihren befohlenen Ausgangsstellungen. In der Ferne konnten sie bereits den Lärm der heftigen Schlacht bei Sidi Rezegh hören, wo die britische 8. Armee bereits kämpfte, um zu ihnen durchzustoßen.

Ausbruch britischer Infanterie Tobruk
Ausbruch britischer Infanterie durch den Stacheldraht um Tobruk.

Alle warteten auf die Stunde Null – Briten, Polen, Tschechen, Neuseeländer und Australier – und waren zuversichtlich, dass die Belagerung von Tobruk beendet werden wird. Aber viel harte Kämpfe lagen noch vor ihnen. ‚Operation Crusader‘ dauerte noch für viele Wochen weiterhin an und die Belagerung von Tobruk wurde nicht vor dem 10. Dezember aufgehoben, als eine ständige Landverbindung zwischen der Garnison und der Hauptmasse der britischen 8. Armee hergestellt werden konnte.

Danach konnten sich auch die Schiffe der Royal Navy von ihrer Aufgabe erholen, die einzige Verbindung zwischen Tobruk und dem Rest der Alliierten zu sein – eine Aufgabe, während der sie 34.000 Mann, 72 Panzer, 92 Geschütze und 34.000 Tonnen von Munition und Nachschub über einen Zeitraum von 242 Tage transportiert hatten.


t_arrow2Vorherige Seite: Teil I: Belagerung von Tobruk

Zum teilen:

Weitere interessante Beiträge:
Junkers Ju 87 B Sturzkampfbomber der 3.Gruppe des Sturzkampfgeschwaders 1
Stuka, deutscher Sturzkampfbomber Junkers Ju 87. Geschichte, Entwicklung, Spezifikationen, Statistiken, Bilder und 3d-Modell. Junkers Ju 87 Stuka Typ: zweisitziger Sturzkampfbomber. Read more
Finnische Armee auf dem Marsch
Stärke und Organisation des Heeres, Luftwaffe und Marine von Finnland im Fortsetzungskrieg 1941 bis 1944. Kriegsgliederung, Divisionen und Ausrüstung, Flugzeuge Read more
Pak im Gefecht
3,7-cm Pak 36, deutsche Standard-Panzerabwehrkanone zu Beginn des 2. Weltkrieges. Geschichte, Entwicklung, Spezifikationen, Statistiken, Bilder und 3d-Modell. 3,7-cm PAK 36 Read more
Bombenopfer Dresden
Kriegstagebuch des Zweiten Weltkrieges für Februar 1945. Zerstörerischster Luftangriff auf Berlin, Jalta-Konferenz, die Briten erreichen den Rhein, Zerstörung Dresdens, US-Fallschirmjäger Read more
Bf 109 G-14
Kriegsgliederung der Luftwaffe vom 10. Januar 1945: Einsatzstärken und Ausstattung mit Flugzeugen der deutschen Luftflotten in der letzten Kriegsphase. Kriegsgliederung Read more
Bren-MG Mk I
Britisches leichtes Maschinengewehr BREN Mk I-IV. Geschichte, Entwicklung, Spezifikationen, Statistiken, Bilder und 3d-Modell. Bren-MG Typ: leichtes Maschinengewehr. Geschichte Über das Read more

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Nach oben scrollen
Einen Moment bitte noch - das hier ist bestimmt auch interessant:

Russische Soldaten 1914-1917
Die russische Armee im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1917. Uniformen, Organisation, Kommandeure, Heeresstärke und Verluste. Die russische Armee im Read more

VIELEN DANK FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT!