Der Antisemitismus, die Judenverfolgung und Deportation bis zur Endlösung ‚Holocaust‘ im Dritten Reich.
Judenverfolgung im Dritten Reich
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Die einzigartige Entscheidung, die Juden zu ermorden, wurde 1941 unter spezifischen Umständen von Adolf Hitler getroffen. Dabei handelte es sich um ein absolutes Staatsgeheimnis, über das nicht einmal Eingeweihte sprechen durften.
Die entscheidenden Anweisungen wurde offensichtlich alle nur mündlich als ‚Wunsch des Führers‘ erteilt und die gesamte eingeweihte Führungsebene bediente sich nur Tarnausdrücken. Hitler selbst sprach niemals, auch nicht im engsten privaten Kreis darüber, die Juden zu ermorden.
Siehe dazu auch: Hitler Privat und Antisemitsimus.
SS-Chef Heinrich Himmler dagegen, der Hitlers ‚Wünsche‘ erfüllte, sprach ab Oktober 1943 zumindest zweimal offen darüber, wobei er die Niederlage wohl schon vorausahnte und wusste, dass er alle Brücken hinter sich bereits abgerissen hatte.
Deshalb lässt sich der Ablauf, welcher zum Holocaust führte, nur mit Indizienbeweisen nachvollziehen. Auch gab es vermutlich nicht so etwas wie einen Tag der Entscheidung dazu, vielmehr ist es eine fortschreitende Entwicklung, welche zwischen den ‚Wünschen‘ der NS-Führung und den Maßnahmen durch Unterführer vor Ort sich gegenseitig hochschaukelte.
Schriftliche Befehle zum Holocaust wurden niemals gefunden und die Akten, welcher Himmler und Heydrich dazu im Verlauf des Krieges angelegt haben müssen, wurden offensichtlich rechtzeitig vor dem Zusammenbruch vernichtet. Aber die ‚Endlösung der Judenfrage‘ trägt eindeutig die Handschrift Hitlers.
Antisemitismus
Vor dem Holocaust gab es schon eine lange Geschichte des Antisemitismus in vielen Teilen Europas: In Spanien, Frankreich, Polen, in der Ukraine und Russland sowie im Nahen Osten. Insbesondere im Russischen Reich und Osteuropa war der Judenhass traditionell ausgeprägt gewesen und stach durch brutale ‚Pogrome‘ hervor, bei denen lokal Juden ermordet wurden. Das Wort ‚Pogrom‘ stammt ebenso aus dem Russischen.
Aber auch in Westeuropa trat Antisemitismus auf, so erschütterte die Dreyfus-Affäre Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg.
Bis zu dieser Zeit war Deutschland nicht unbedingt ein antisemitischer Brennpunkt und die kleine jüdische Bevölkerungsgruppe sah sich als völlig assimiliert und an der deutschen Kultur beteiligt. Da viele ihrer Mitglieder aber wohlhabend waren, gab es Neid und schon zu Zeiten Bismarcks erschienen zahlreiche antisemitische Schriften.
Trotzdem war der Antisemitismus in Deutschland nicht stark vertreten und die staatliche Politik des kaiserlichen Deutschlands stand dem entgegen. Erst mit der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg und der bolschewistischen Revolution in Russland wurden Schuldige gesucht und diese wurden in den Juden schnell gefunden.
Hitler selbst, schon überzeugter Antisemit aus seiner Wiener Zeit, griff diese Ideen begeistert für seine neue Partei, die NSDAP, auf.
Trotzdem waren die Juden in der pluralistischen Weimarer Zeit bis 1929 relativ sicher und fühlten sich auch ‚zu Hause‘, fanden aber außer in liberalen und linken Kreisen kaum Freunde und waren Agitationen und Diskriminierungen ausgesetzt.
Mit der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 änderte sich ihre Situation aber abrupt, wobei aber die zunehmende Radikalisierung bis 1938 größtenteils nicht auf direkte Anordnungen von Hitler zurückzuführen war und vor allem durch antisemitische Mitläufer und Parteigenossen vorangetrieben wurde. Lediglich bei den Nürnberger Gesetzen von 1935 und vermutlich auch beim November-Pogrom von 1938 war Hitler aktiv eingebunden. Später erklärte er seine relative Tatenlosigkeit damit, dass er aus außenpolitischen Gründen Rücksicht üben musste und nicht, weil dies so seinen Wünschen entsprochen hätte.
Judenverfolgung
Trotz intensiven Schikanen gegenüber Juden, um sie zur Auswanderung zu bringen, lebten Ende 1938 immer noch zwei Drittel der jüdischen Bevölkerung von 1933 in Deutschland.
Die Phase der ernsthaften Judenverfolgung durch die Nazis begann wenige Tage nach der Münchener Konferenz im Oktober 1938 und der Auslöser ist ausgerechnet die polnische Regierung. Diese erließ eine Verfügung, wonach jeder im Ausland lebende polnische Staatsbürger innerhalb von drei Wochen in seine Heimat zurückkehren müsse, um seinen Pass mit einem Sonderstempel versehen zu lassen. Alle Polen, die dies bis zum 29. Oktober 1938 nicht getan hätten, würden automatisch die polnische Staatsbürgerschaft verlieren.
Das Ziel der ungewöhnlichen Maßnahme was schnell klar, denn die größte Gruppe polnischer Staatsbürger im Ausland – mit Ausnahme in der USA – lebte in Deutschland und bestand zum Großteil aus Juden. Polen wollte die etwa 60.000 in Deutschland lebende Juden ein für allemal loswerden.
Deshalb ließ SD-Chef Heydrich vor Ablauf der Frist Juden polnischer Staatsangehörigkeit mit Eisenbahnen, Bussen und LKWs an die deutsch-polnische Grenze bringen. Trotzdem sperrten die Polen die Grenze an vielen Stellen für die zur Registrierung ihrer Pässe zurückgekehrten polnischen Staatsbürger.
Von den am Abend des 28. Oktober etwa 17.000 wartenden Polen an der Grenze muss der Großteil die kalte und feuchte Nacht im Niemandsland verbringen.
Unter den Menschen, die an der Grenze zu leiden hatten, ist auch die Familie eines Schusters mit dem Namen Grynszpan, eingedeutscht als Grünspan. Herschel Feibel Grynszpan ist zu dieser Zeit 17 Jahre alt und lebte in Paris, wo er vom Schicksal seiner Familie erfuhr.
Am 7. November 1938 morgens besuchte der junge Mann die deutsche Botschaft in Paris und wollte den Botschafter sprechen. Natürlich wurde der unbekannte Mann nicht vorgelassen, sondern der dritte Botschaftssekretär Ernst von Rath, ebenfalls ein junger Mann aus einer den Nazis wenig zugeneigten Familie, nahm sich ihm an. Herschel Grynszpan schoss den jungen Beamten sofort mit einem Revolver nieder und sagte dann bei der französischen Polizei aus, dass er dies sei aus Rache für seine Familie an der polnischen Grenze getan hätte.
Später wurde jedoch angenommen, dass Grynszpan eine homosexuelle Beziehung zu dem Botschaftssekretär hatte und die Tat aus Beziehungsproblemen und nicht aus politischen Gründen erfolgte.
Wie dem auch sei, dafür war es nun zu spät, denn die Ermordung des deutschen Botschaftssekretärs durch einen Juden hatte radikale Folgen.
Zwei Tage später nach der Tat wurde bei Hitlers alljährlicher Feier zur Erinnerung an den Marsch zur Feldherrnhalle beim Abendessen im Münchener Rathaus bekannt, das Ernst von Rath soeben in Paris seinen schweren Verletzungen erlegen war.
Wer nun die folgende ‚Reichs-Kristallnacht‘ anordnete, ist bis heute unbekannt. Hitler jedenfalls wies dies in seinen späteren Tischgesprächen zurück, da dies ihm außenpolitisch schwer geschadet habe.
Wahrscheinlich war es eher eine spontane Aktion von niederer Parteischergen, welche durch Goebbels inspirierte anti-jüdische Presseberichte des Attentats aufgestachelt worden waren.
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Der Terror der ‚Reichs-Kristallnacht‘ löste nun tatsächlich eine Fluchtwelle aus und zwischen Ende 1938 und bis zum Kriegsbeginn 1939 verließen so viele Juden Deutschland wie in all den Jahren der NS-Herrschaft zuvor. Aber selbst kurz nach dieser Nacht glaubte SD-Chef Heydrich noch immer, es werde ein Jahrzehnt dauern, bis man alle Juden losgeworden ist.
Nachdem die Ausschreitungen der ‚Reichs-Kristallnacht‘ im Ausland und auch in Deutschland auf erhebliche Kritik gestoßen waren, wurde nun von den Nazis öffentliche Gewaltausbrüche vermieden. Deshalb wurde Heydrich am 24. Januar 1939 zum Leiter einer Reichszentrale für die jüdische Auswanderung ernannt.
Zwischenzeitlich hat aber schon Polen Initiativen ergriffen, um seine jüdische Minderheit loszuwerden. Tatsächlich stammt der neue ‚Madagaskar-Plan‘ aus Polen, welches bilaterale Gespräche mit Frankreich suchte, um vor der ostafrikanischen Küste einen jüdischen Staat zu errichten. Palästina kam damals noch nicht in Betracht, da das Land schon seit zweitausend Jahren von den Arabern besiedelt war und diese dann hätten vertrieben werden müssen.
Aber ein jüdischer Staat auf Madagaskar schien auch für die Franzosen, interessant, da dessen Fläche doppelt so groß wie Polen war, es aber nur vier Millionen Einwohner hatte. Die viertgrößte Insel der Welt ist reich an Bodenschätzen und Naturreichtümern und die bekannte jüdische Geschäftstätigkeit könnte dort zum Aufblühen und Wohlstand führen.
Bis zum Kriegsbeginn wird darüber jedoch nur theoretisch verhandelt und das Ganze wird erst halbwegs ernst, als eineinhalb Jahre später deutsche Stellen mit dem dann besiegten Frankreich verhandelten.
In Deutschland geht es bis zum Kriegsausbruch im September 1939 erst einmal darum, aus der erzwungen Auswanderung der Juden ins Ausland, welches für diese nun nach der ‚Reichs-Kristallnacht‘ wohl oder übel seine Grenzen öffnen musste, noch ein Geschäft zu machen.
Von November 1938 bis Januar 1939 wurden jüdischen Bürgern so ziemlich alle Rechte entzogen, der Schulbesuch in öffentlichen Schulen verwehrt und Berufsverbote verhängt.
Deportationen und Ghettos
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und kaum dass der Polenfeldzug beendet war, wurde das eroberte Land schon zum Übungsgebiet für eine ‚Endlösung‘.
Erstmals bildeten Nicht-Deutsche die Mehrzahl in vom Deutschen Reich annektierten Gebieten, und neben der deutschen Minderheit befanden sich dort auch eine große Minorität aus Juden, welche nun noch zu dem ‚Problem‘ der Reichsdeutschen Juden hinzukam.
Die von Deutschland beanspruchten Gebiete in Polen sollten so schnell wie möglich eingedeutscht werden, jedoch die Polen dort loszuwerden würde länger dauern. Mit den Juden aber sollte anders verfahren werden und so verkündete der Gauleiter des späteren Warthelands bereits im November 1939, dass die ‚Judenfrage‘ in Kürze gelöst sei.
Die erste Idee war es, zwischen Weichsel und Bug ein riesiges Reservat für Juden aus den annektierten Gebieten und auch aus Deutschland zu schaffen, sowie für 30.000 Sinti und Roma.
Heydrich nahm an, dass die Aktion ein Jahr dauern würden, ging aber über die reine ‚Evakuierung‘ bereits hinaus. So wurden bereits zu diesem Zeitpunkt tausende polnischer Juden durch Massenerschießungen oder in polnischen Pogromen getötet. Auch die Deportation von Juden in den Distrikt Lublin ‚dezimierte‘ die jüdische Bevölkerung, was nicht ungelegen kam.
Kurze Zeit später erklärte jedoch der Generalgouverneur Hans Frank, dass die geplanten Deportationen in die Gebiete östlich der Weichsel völlig unmöglich seien, da das Generalgouvernement sowieso schon überbevölkert und verarmt sein und auch nicht über genügend Nahrungsmittel verfügte.
Im Frühjahr 1940 war den verantwortlichen Personen dann klar, dass die geplante Umsiedlung riesiger Bevölkerungsgruppen nach Osten im bisherigen deutschen Machtbereich völlig unrealistisch war. So wurden Ghettos zu ständigen Einrichtungen, obwohl sie ursprünglich nur als eine Art Übergangslager vor der Deportation nach Osten gedacht waren.
Zwischenzeitlich hatte Generalgouverneur Hans Frank wieder die alte Idee angestoßen, die Paul de Lagarde bereits Ende des 19. Jahrhunderts erstmals vorbrachte, Juden in die französische Kolonie Madagaskar umzusiedeln.
Nach dem siegreichen Westfeldzug schien die Idee nicht mehr ganz abwegig und der geschäftstüchtige Reichsmarschall Göring frohlockte, dass die Juden auf der Insel unter deutscher Aufsicht eine florierende Handelswirtschaft aufbauen könnten und Deutschland an den zu erwartenden Gewinnen beteiligt werde.
Ein einziges, aber entscheidende Problem, ließ sich aber nicht aus dem Weg räumen: Großbritannien war immer noch im Krieg mit Deutschland und beherrschte die Seewege, sodass eine Deportation mit Schiffen völlig unmöglich war, solange es keinen Frieden gab.
Mit Hitlers Entscheidung, im kommenden Jahr 1941 die Sowjetunion anzugreifen, ergaben sich jedoch völlig neue Perspektiven für die ‚Lösung der Judenfrage‘.
Hier zum nächsten Teil: Endlösung.
Quellenangaben und Literatur
Illustrierte Geschichte des Dritte Reiches (Kurt Zentner)
Wendepunkte (Ian Kershaw)
Unser Jahrhundert im Bild (Bertelsmann Lesering)
Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier (Henry Picker)
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