Am Westwall 1939/40.
Enstehung, Zweck und Geschichte des Westwalls (oder Siegfried-Linie).
Am Westwall
Hier sind einige der kurz nach Beginn des 2. Weltkrieges 1939 und im Winter 1939/40 während des Einsatzes am Westwalls fotografierten Bilder.
Zur Vergrößerung und Dia-Show bitte auf eines der Fotos klicken.
Vorherige Seite: Vorkriegsdeutschland
Nächste Seite: Vorbereitungen 1940
Westwall
Bereits 1934 machte die neue Reichsregierung unter Adolf Hitler die ersten Pläne, die Westgrenze zu befestigen. Da der Vertrag von Versailles eine demilitarisierte Zone auch östlich des Rheins vorsah, wurden Pläne für die sogenannten ‚Neckar-Enz‘ und ‚Wetterau-Main-Tauber‘-Linien erstellt.
Mit der Wiederbesetzung des Rheinlandes wurden diese Pläne aufgegeben und die Planungen für den Westwall entlang der eigentlichen deutschen Grenze wurden aufgenommen.
Diese Aufgabe wurde der deutschen Armee übertragen und der Bau sollte mit sogenannten ‚Regelbau‘-Anlagen erfolgen, welche Standardmodelle waren. Dies ermöglichte es, Standardkomponenten für den Bau der gesamten Verteidigungsanlage zu verwenden.
Trotzdem waren die Bauarbeiten langsam, denn es wurden tausende von Arbeiter benötigt und die Rohstoffe waren oft knapp. Bis zum Frühjahr 1938 waren nur 640 Bunker und MG-Bunker fertig und es wurde geschätzt, dass der gesamte, geplante Westwall nicht vor 1948 fertiggestellt sein würde.
Im Gegensatz zur Maginot-Linie, deren Bau bereits 1929 begann und bis 1940 immer noch nicht vollständig war, wurde der Westwall nicht mehr als eine hastige Improvisation, welcher hauptsächlich durch Goebbels Propagandaministerium die Franzosen abschreckte.
Ebenfalls im Gegensatz zu der durchgehend starken, aber dünnen Maginot-Linie wurde der Westwall nach dem Konzept der ‚Verteidigung in der Tiefe‘ aus dem Ersten Weltkrieg entworfen. Dabei sollte der Angreifer tiefer und tiefer in ein System von MG- und Pak-Bunkern und größeren Bunkern gezogen werden, wobei sein Fortschritt immer langsamer werden würde, bis er schließlich ganz zum Stillstand käme. Das würde der deutschen Armee Zeit verschaffen, Reserven heranzubringen und den Angreifer in einem Gegenangriff zurückzuschlagen.
Daher bestand der Westwall aus Bunkern, welche mit Panzerabwehrkanonen und Maschinengewehren bestückt werden konnten, sowie einer kleinen Abteilung aus Soldaten. Dabei waren die Bunker so angeordnet, dass jeder von ihnen durch das Feuer aus einem oder mehreren anderen gedeckt werden konnte.
An besonders empfindlichen Stellen hatten die Verteidigungsanlage eine Tiefe von mehreren Kilometern und wo das Gelände besonders für Panzer geeignet war, wurden Drachenzähne oder zumindest ‚Tschechen-Igel‘ – aus dicken Stahlträgern zusammengeschweißte Panzersperren – errichtet.
Das war für Hitler völlig inakzeptabel, da er für den Herbst des Jahres einen Krieg gegen die Tschechoslowakei vom Zaun brechen wollte. So gab er im Mai 1938 neue Bauziele heraus: 1.800 MG-Bunker, 10.000 Bunker und 32 größere Festungswerke sollten bis zum 1. Oktober 1938 fertiggestellt sein. Neben diesem ‚Limes-Programm‘ wurde noch eine Luftverteidigungs-Zone im Westen vorgesehen.
Tatsächlich waren bis September 1938 der Großteil der befohlenen Anlagen fertiggestellt worden, rechtzeitig zum Zeitpunkt der Münchener Krise.
Als sich die diplomatischen Töne verschärften, rückten erstmals die Soldaten von vier regulären deutschen Divisionen als Besatzung der neuen Verteidigungsanlagen ein. Diese Einheiten wurden, sehr zum Missfallen des deutschen Oberkommandos, durch 300.000 schlecht bewaffnete und trainierte Arbeiter, welche bisher beim Reichsarbeitsdienst am Westwall eingesetzt waren, verstärkt.
Während der diplomatischen Krise saßen all diese Männer in den engen, feuchten und kalten Bunkern, noch ohne Sanitäreinrichtungen oder elektrischem Licht. Viel hatten sie nicht zu tun, so konnten sie sich leicht ausmalen, wie ihre Gegenüber auf der anderen Seite der Grenze in der Maginot-Linie wesentlich besser dabei wegkamen.
Denn die Maginot-Linie war im Gegensatz zum Westwall dauerhaft mit speziellen Garnisonstruppen belegt. Diese waren nun in hoher Alarmbereitschaft, verfügten aber in ihren Bunkern neben einer guten Grundausstattung auch Turnhallen, Sonnenräume und Kleinbahnen, mit welchen sie hin- und herfahren konnten. Für die französischen Festungstruppen waren die Anspannungen während der Münchener Konferenz weit weniger belastend, denn ihre Stellungen waren für so etwas konstruiert und die Männer waren dafür ausgebildet worden.
Schließlich kam es zu einer diplomatischen Lösung und die Alarmstufe wurde nach und nach heruntergesetzt und die Truppen konnten aufatmen und sich erholen. Die deutschen Arbeiter nahmen wieder die Bauarbeiten am Westwall auf, dessen Erweiterung und Verstärkung nunmehr von Adolf Hitler befohlen worden waren.
Nach dem Erfolg mit dem Münchener Abkommen und der Annexion des Sudetenlandes befahl Hitler im Oktober 1938 den weiteren Ausbau des Westwalls, um die Westmächte auch vor dem zukünftigen Eingreifen bei seinen kriegerischen Planungen abzuhalten. Diese letzte Bauphase begann in der zweiten Jahreshälfte 1939 und setzte sich bis zum Frühjahr 1940 fort.
Zum Kriegsbeginn im September 1939 wurden die Verteidigungsanlagen des Westwalls gemäß Hitlers ‚Kriegsrichtlinie 1‘ erneut besetzt. Wieder konnte nur eine Rahmentruppe aufgeboten werden: acht reguläre Divisionen, welche durch 25 mobil zumachende Reservedivisionen verstärkt werden sollte, darunter die 214. Infanterie-Division, welche der Großvater des Autors angehörte.
Diese Verbände konnten nicht mit Panzer verstärkt werden, da diese alle für den Polenfeldzug benötigt wurden und es gab nur ausreichend Munition für drei Kampftage.
Hitler spielte wie schon im vorausgegangen Jahr Vabanque, indem er annahm, dass die Franzosen nicht einschreiten werden. Daher war die sogenannte ‚Saar-Offensive‘ der Franzosen am 7. September ein Schock. Zum Glück für die Deutschen war diese ‚Offensive‘ nur eine schwache und kurze Affäre ohne jeglichen Schwung, welche nur als Alibi-Aktion aufgrund der Bündnisverpflichtungen gegenüber Polen begonnen wurde.
Ein wenig Territorium, was schon zuvor von den deutschen Truppen geräumt worden war, wurde besetzt, aber die Stellungen des Westwalls wurden schließlich nicht bedroht und es gab nur ein paar halbherzige Schüsse auf sie.
Zwar wurde die ‚Offensive‘ in den westlichen Zeitungen als ‚großer Erfolg‘ gepriesen, aber das besetzte Gebiet war von keinerlei strategischer Bedeutung.
So hörte in einem Fall ein deutscher Vorposten eine Minenexplosion und ein Untersuchungskommando wurde ausgeschickt. Diese Patrouille machte mit einem abgetrennten Bein mit noch vollständigen Armeestiefel und Gamaschen einen makabren Fund.
Aus dieser lahmen Kriegsführung zogen die deutschen Pioniere ihren Nutzen, um unter relativ friedlichen Bedingungen weitere Barrikaden und Holzbunker zu bauen, noch mehr Minen auszulegen und die Hauptstellungen zu vervollständigen. Mit der Zeit wurde es klar, dass die Franzosen keinen Großangriff planten
Schließlich wurden die französischen Truppen Mitte Oktober wieder auf ihre vorbereiteten Ausgangsstellungen zurückgezogen und ein unangenehmer ‚Sitzkrieg‘ setzte sich bis zum Mai 1940 fort. Dabei wurden die zur Tatenlosigkeit verurteilten Soldaten auf beiden Seiten immer gelangweilter.
Mit nur geringer Gefahr auf irgendwelche Kämpfe, begannen einige Soldaten damit, ihre Bunker mit Pflanzen und Blumenbeeten zu verschönern oder auch Gemüse darum herum anzubauen. Als nach dem Herbst der bitterkalte Winter 1939/40 einzog, machten es sich die Männer in ihren Stellungen so angenehm wie möglich, aber ihr Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, es möglichst warm zu haben.
Der Westwall war niemals errichtet worden, um Frankreich von einem Angriffskrieg auf Deutschland abzuhalten, da die Franzosen ja ihrerseits durch die für reine defensive Aufgaben errichtete Maginot-Linie ihre zukünftige Strategie und Absichten offengelegt hatten. Jedoch hatte der Westwall – wie von Hitler gehofft – die Franzosen von einem Großangriff abgehalten, während die Masse der Wehrmacht im Osten gekämpft hatte.
So konnte Hitler alle seine Anstrengungen auf die Niederschlagung Polens konzentrieren. Noch vor der vollständigen Niederlage Polens konnten nach und nach deutsche Truppen aus dem Osten an die nur schwach verteidigte Abwehrlinie verlegt werden, um sich auf eine Offensive im Westen vorzubereiten.
Und auch die deutschen Pioniere registrierten die in Kriegstagebüchern überlieferte geringe Kampftätigkeit, als sie feststellten, dass die meisten eigenen Opfer durch Unachtsamkeit durch ihre selbst verlegten Minen auftraten und nicht durch den Gegner.
Nach der Niederlage Frankreichs wurden die Verteidigungsanlagen des bisher nach wie vor ungeprüften Westwalls eingemottet. Die noch unfertigen Anlagen wurden abgerissen, nun öfters durch Kriegsgefangene, welche die bisherigen deutschen Arbeiter nach und nach ersetzten.
Andere Bunker, MG-Stellungen und Festungsanlagen wurden beibehalten, da Rundstedt bemerkte ‚Man weiß nie, ob man sie noch eines Tages noch einmal dringen benötigen wird‘.
Trotzdem wurden alle Waffen entfernt, sowie andere nicht fest verbaute Ausrüstungsteile, welche eingelagert wurden und der Großteil davon später beim Bau des ‚Atlantik-Walls‘ wieder verwendet wurde.
Als der Westwall nach der alliierten Invasion in der Normandie dann im Herbst 1944 wieder zum Frontgebiet wurde, war er weder entsprechend neu ausgerüstet noch bewaffnet. Die Bunker waren in den Jahren verkommen, feucht und standen teilweise voll Wasser.
Zwar wurden bereits im Sommer 1944 Vorbereitungen zur Stärkung des Westwalls getroffen. So gab es einige Schutzstellungen für die famose 88-mm-Pak, welche jeden alliierten Panzer auf große Entfernung ausschalten konnten. Auch Panther-Türme wurden auf Bunker gesetzt und sogenannte ‚Koch‘-Bunker (nach einer Idee von Gauleiter Koch) für einen einzelnen Infanteristen gebaut.
Bemannt werden konnte diese dann aber nach dem Blitzvorstoß der Alliierten durch Frankreich vorwiegend nur mit Volkssturmleuten oder kaum ausgebildeten Reservisten, da die Blüte des deutschen Heeres zwischenzeitlich schon gefallen war.
Auch war der Großteil des Verteidigungssystems zwischenzeitlich völlig veraltet, da eine neue Generation von Waffen diejenigen von 1939 abgelöst hatte. So konnten die neuen, großen Pak-Geschütze nicht in die Stellungen der kleinen 3,7-cm PAK 36 platziert werden und mussten außerhalb der Bunker in Stellung gebracht werden. Und auch der Angreifer hatte wesentlich stärkere Panzer, Artillerie und Flugzeuge als noch bei Kriegsbeginn zur Verfügung.
Allerdings hielten die meisten Bunker ohne weiteres Luftangriffen stand und viele waren so getarnt aufgestellt, dass sie sogar von den amerikanischen Pionieren bei den Abrisssprengungen nach Kriegsende einfach übersehen wurden.
So war der Westwall 1944/45 im Vergleich zur Rhein-Barriere das wesentlich schwächere Hindernis für den alliierten Vorstoß nach Deutschland.
Quellenangaben und Literatur
Germany’s West Wall – The Siegfried Line (Neil Short)
Weitere interessante Beiträge: