Spezielle japanische Kamikaze-Flugzeuge und die Kamikaze-Piloten im Zweiten Weltkrieg.
Entwicklung, Einsatz, Spezifikationen und Bilder von Yokosuka MXY-7 Ohka und Nakajima Ki-115 Tsurugi.
Typ: Japanisches einsitziges raketengetriebenes Kamikaze-Flugzeug Yokosuka MXY-7 Ohka.
Yokosuka MXY-7 Ohka
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In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wurden insgesamt 852 Ohkas in vier Versionen gebaut.
Es war im Sommer 1944, als angesichts der überwältigenden und schnell zunehmende Stärke der Alliierten auf dem pazifischen Kriegsschauplatz, der japanische Marinestab erstmals das Konzept von Selbstmordangriffen zur Abwehr der feindlichen Angriffe in Erwägung zog. Nachdem die kaiserliche Marine das Prinzip des Kamikaze-Selbstmordangriffs dann erst einmal offiziell übernommen hatte, war es nur logisch, ein Flugzeug für diese spezielle Aufgabe zu entwerfen, anstatt ineffiziente, anfälligere und teurere, konventionelle Maschinen mit einer weniger verheerender Wirkung einzusetzen.
Fähnrich Mitsuo Ohta war der als Erste, welcher einen Rohentwurf für eine gelenkte fliegende Bombe erstellte und die Firma Yokusaka wurde damit beauftragt, die detaillierten Pläne und die Fertigstellung umzusetzen.
Die MXY7 (im alliierten Code als ‚Baka‘ bezeichnet, was im japanischen ‚Narr‘ bedeutet) war weniger ein Flugzeug als vielmehr eine fliegende Bombe, die von einem Raketen- oder Düsentriebwerk angetrieben wurde.
Das Projekt wurde im Sommer 1944 begonnen und die Ohka wurde hauptsächlich aus billigem Holz hergestellt, mit drei Feststoffraketen im hinteren Rumpf und einem 1.200-kg-Sprengkopf in der Nase.
Erste Testflüge begannen bei Sagami im Oktober 1944, gefolgt von unbemannten Flügen mit dem Raketenmotor im nachfolgenden Monat. Anschließend begann die Serienproduktion.
Ursprünglich für die Küstenverteidigung gedacht, wurde die Ohka später zu einer Offensivwaffe modifiziert. Dabei wurde die MXY7 Modell 11 von einem Trägerflugzeug, in der Regel eine Mitsubishi G4M Betty ohne Bombenklappen, etwa 80 Kilometer in der Nähe des Ziels abgeworfen. Der vor dem Abflug der Trägermaschine in seinem Cockpit eingeschlossene Kamikaze-Pilot ging dann in einen schnellen Gleitflug mit etwa 466 km/h über und zündete die Rakete elektrisch, während er für die letzten 30 Sekunden der Flugbahn in einen steilen Endanflug überging.
Der erste Einsatz sollte am 21. März 1945 durch die 721. Kokutai erfolgen, aber die Trägermaschine wurde von amerikanischen Jägern abgefangen und musste ihre Ohka zu früh freilassen.
Der erste Erfolg der Ohka (japanisch für ‚Kirschblüte‘) war die schwere Beschädigung des amerikanischen Schlachtschiffes West Virginia am 1. April 1945. Das erste alliierte Schiff, das von einer Ohka versenkt wurde, war das Torpedoboot Mannert L. Abele, das am 12. April vor Okinawa getroffen wurde.
Obwohl der Großteil dieser bemannten Raketen ihre Ziele verfehlten, richteten die wenigen, die trafen, furchtbare Verwüstungen an. Vor allem das Trägerflugzeug, welches die Ohkas ziemlich nahe an ihre Ziele heranbringen mussten, erwies sich als sehr verwundbar und der mächtige amerikanische Jagdschirm ließ daher die japanische Kamikaze-Taktik mit der Flugbombe niemals zu einer ernsthaften Gefahr für die US-Flotte im Pazifik werden, trotz all seinem makabren Beigeschmacks.
Insgesamt wurden von mehreren Herstellern 755 Ohka Modell 11 der ersten Produktionsserie bis März 1945 gebaut. Dazu kamen noch 45 Stück der Version K-1 ohne Motor, welche zur Ausbildung der Piloten verwendet wurden.
Das Modell 22, von dem etwa 50 ausgeliefert wurden, war untermotorisiert. Das Modell 33, das bei Ende der Feindseligkeiten noch nicht fertiggestellt war, sollte Ne-20-Turbinenstrahltriebwerke der Modelle 43A und 43B für den Start von U-Booten bzw. Katapulten an Land aus haben und kam zu spät, um noch Einsätze zu sehen.
Nakajima Ki-115 Tsurugi
Typ: Japanisches einsitziges Kamikaze-Flugzeug.
Nachdem sich das Einsatzkonzept der Kamikaze-Piloten mit ihren Flugzeugen im Laufe des Jahres 1944 fest etabliert hatte, erkannte neben der Marine auch die kaiserlich-japanische Armee, dass es wenig effizient war, eine bunte Ansammlung ungeeigneter Flugzeugmodelle dafür zu verwenden. Deshalb sollte ein speziell für einen solchen Angriff konzipiertes Flugzeug mit äußerster Dringlichkeit entwickelt werden.
Die Firma Nakajima erhielt daher den Auftrag am 20. Januar 1945 und das erste Flugzeug entstand innerhalb von drei Monaten.
Man hätte erwarten können, dass die Ki-115 aus billigem Holz sein würde, aber stattdessen war die kleine Tragfläche mit einem Ganzmetall-Überzug, der Rumpf aus Stahlrohren mit Oberflächen hauptsächlich aus dünnem Baustahl und das Leitwerk aus Holz und Gewebe. Das Fahrgestell bestand aus einem ungefederten Stahlrohr und war so angebracht, dass es nach dem Start abgeworfen werden konnte.
Die Handhabung des Flugzeugs war schrecklich, verbesserte sich aber, als ein neues, gefedertes Fahrwerk und angeschraubte Flügelklappen eingebaut wurden.
Bis zur japanischen Kapitulation hatten Nakajima erst 22 Stück und das Ota-Werk 82 der Kamikaze-Flugzeuge fertiggestellt, welche alle mit Flügelvorrichtungen für niemals mehr montierte Raketen versehen waren, um die Geschwindigkeit in der letzten Phase des Angriffs zu erhöhen.
Die Version Ki-115b war eine Entwicklung mit größeren Flügeln und einem vollständigen Holzrumpf und die ‚Toka‘ ein Vorschlag für eine Version für die Marine. Die wesentlich effektivere Ki-230 wurde nicht mehr gebaut.
Spezifikationen Kamikaze-Flugzeuge
Spezifikationen:
Spezifikationen | Yokosuka MXY7 Ohka | Nakajima Ki-115 Tsurugi |
---|---|---|
Typ | einsitziges raketengetriebenes Kamikaze-Flugzeug | einsitziges Kamikaze-Flugzeug |
Antrieb | 3 Festbrennstoff-Raketen (Typ 4 Modell 20 Raketenmotor) mit zusammen 800 kg Schub | 1.150 PS Nakajima Ha-35 Typ 23 14-Zylinder-Umlaufmotor |
Besatzung | 1 | 1 |
Spannweite | 5,12 m | 8,55 m |
Länge über alles | 6,07 m | 8,60 m |
Höhe über alles | 1,16 m | 3,30 m |
Flügelfläche | 6,0 m² | ? |
Leer-Gewicht | 440 kg | 1.640 kg |
Startgewicht (maximum) | 2.140 kg | 2.580 kg |
max. Flügelbelastung | ? | ? |
max. Leistung | ? | ? |
Höchstgeschwindigkeit | 466 km/h Gleitflug; 860 km/h mit Antrieb Horizontalflug; 927-1.000 km/h finaler Sturzflug | 550 km/h |
Marschgeschwindigkeit | 650 km/h | ? |
Anfangssteigleistung | - | ? |
Steigleistung | - | ? |
Dienstgipfelhöhe | in 8.000 m vom Trägerflugzeug freigegeben | ? |
Reichweite | 37-88 km | 1.200 km (mit 500-kg-Bombe) |
Bewaffnung:
Spezifikation | Yokosuka MXY7 Ohka | Nakajima Ki-115 Tsurugi |
---|---|---|
starr nach vorn | - | - |
nach hinten | - | - |
Zuladung | 1.200-kg-Sprengkopf mit Tri-Nitroaminol-Füllung. | untere Rumpfausbuchtung für 250-, 500- oder 800-kg-Bombe |
Einsatzstatistik:
Angaben | Yokosuka MXY7 Ohka | Nakajima Ki-115 Tsurugi |
---|---|---|
Entwurfsbeginn | August 1944 | 20. Januar 1945 |
Erstflug | Oktober 1944 | März 1945 |
Produktion | Anfang Oktober 1944 | gegen Kriegsende |
Ersteinsatz | 21. März 1945 | - |
Endlieferung | März 1945 | - |
Stückpreis | ? | ? |
Stückzahl (alle Varianten) | 775 | 104 |
Kamikaze-Piloten
Wenn die Japaner in der letzten Phase des Pazifikkrieges die riesigen Unterschiede zwischen dem Kriegspotenzial ihres Landes und dem der Alliierten betrachteten, war es für jeden von ihnen klar, dass das Kaiserreich schnell sich einer gefährlichen Krise näherte, falls die Lage nicht grundsätzlich geändert werden konnte.
In der damaligen Tradition der Menschen des japanischen Kaiserreichs war es für sie nur allzu natürlich, dass der japanische Soldat entschlossen war, sein Leben für Kaiser und Volk zu opfern. Für den Japaner war die gesamte Nation, ihre Gesellschaft und sogar der Kosmos durch seinen Kaiser ein Ganzes. Dieser Glaube war tief verwurzelt und sie waren bereit, dafür zu sterben.
Was die grundsätzliche Frage nach Leben und Tod angeht, so basierte die geistige Haltung des Japaners auf dem absoluten Gehorsam gegenüber der Autorität des Kaisers, was selbst bis zur Aufopferung des eigenen Lebens reichte.
Der Kamikaze-Glaube hatte seinen Ursprung im Bushido, dem Ehrenkodex des japanischen Kriegers. Dieser wiederum beruhte auf dem spirituellen Buddhismus, welcher Mut und Gewissen beeinflusste.
Der überzeugte japanische Soldat verspürte den brennenden Wunsch, wenn er schon sterben musste, dann am richtigen Ort und zur richtigen Stunde einen sinnvollen Tod zu erleiden, ohne darauf bedacht zu sein, eine öffentliche Anerkennung dafür zu erhalten.
Wenn man sich die Einstellung der Kamikaze-Flieger näher ansah, dann war ihr Auftrag ganz einfach nur ein Teil ihrer Pflicht gegenüber Vaterland und Kaiser und nichts Außergewöhnliches. Sie konzentrierten sich alleine darauf, wie sie ihr Ziel am wirksamsten und vernichtendsten treffen konnten und hatten keine Gedanken für ihr eigenes Schicksal übrig. Es herrschte der Gaube an das ‚Leben durch den Tod‘ vor und so verhielten sich die Kamikaze-Piloten auch.
Diese Männer gaben keinen Einblick in ihre Gefühlswelt und waren vollständig von einer nationalen Haltung und psychologischen Einstellung geprägt, die ihnen durch die lange Geschichte und Traditionen Japans anerzogen worden waren.
Der Kamikaze-Angriff erforderte in erster Linie eine geistige Einstellung zu der Aufgabe und jeder durchschnittliche Pilot war von seinen Fähigkeiten her dafür geeignet. Deshalb gab es dafür auch keine speziellen Ausbildungsmethoden, mit Ausnahme von Belehrungen über Erfahrungen, welche sich aus vorausgegangenen ‚Sondereinsätzen‘ als wichtig erwiesen hatten.
Da die für den Kamikaze-Angriff ausgewählten Piloten zumeist gerade erst eine hastige Fliegerausbildung erhalten hatten, gaben ihnen die japanischen Geschwaderführer eine intensiv technische Ausbildung, damit diese schnell die wichtigsten Dinge darüber lernen konnten.
Kapitän zur See, Rikihei Inoguchi, welcher Kamikaze-Sondergruppen zuerst auf den Philippinen, dann von Formosa aus befehligte und schließlich Stabschef der japanischen Luftflotte in der Schlacht um Okinawa war, und dessen Erfahrungen hier wiedergegeben werden, gab nach dem Krieg folgende Einblicke in das Ausbildungsprogramm:
Auf Formosa dauerte die Ausbildung der Kamikaze-Piloten sieben Tage. Die ersten beiden Tage befassten sich ausschließlich mit dem Abheben der Maschinen von der Startbahn. Das fing damit an, wenn der Einsatzbefehl erteilt wurde und erstreckte sich bis zu dem Zeitpunkt, bei dem alle Flugzeuge des Verbandes sich in der Luft versammelt hatten.
In den folgenden beiden Tagen folgte die Übung des Formationsflugs, zusammen mit der Technik des Starts der Maschinen. Die letzten drei Tage wurden mit der theoretischen und praktischen Ausbildung für den Anflug und finalen Angriff auf das Ziel verbracht. Dabei wurde ebenfalls auch das Abheben und der Formationsflug geübt.
Wenn die Kriegslage es möglich gemacht hätte, dann hätte das ganze Programm nach Meinung von Inoguchi nochmals wiederholt werden müssen.
Obwohl ein Anflug in mittlerer Höhe zum Auffinden und Sicht des Ziels ideal gewesen wäre, wurde eine größere Flughöhe zwischen 6.000 bis 7.000 Metern gewählt. In größerer Höhe war es für die amerikanischen Jäger schwieriger, die japanischen Angreifer abzufangen und die mit 250-kg-Bomben beladenen Kamikaze-Flugzeuge waren dort beweglicher.
Die zweite Möglichkeit war der Angriff in extrem niedriger Höhe über der Wasseroberfläche, um eine Früherfassung durch das alliierte Radarsystem zu umgehen. Die Japaner schätzten Ende 1944 die effektive Reichweite des Radars auf den amerikanischen Kriegsschiffen auf 160 Kilometer bei hoch anfliegenden Flugzeugen, 32 bis 48 Kilometer auf mittleren Flughöhen und 16 Kilometer bei Tieffliegern.
Wenn genügend Kamikaze-Flugzeuge einsatzbereit waren, wurde der Angriff gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen aus einem Verband im Tiefflug und einem im Hochflug durchgeführt.
Bei einem Anflug aus großer Höhe musste der Kamikaze-Pilot beachten, dass der Sturzflugwinkel beim Angriff nicht zu groß wurde, da sonst das Flugzeug nur noch schwer zu steuern war und mit zunehmender Geschwindigkeit außer Kontrolle geraten konnte.
Daher war es wichtig, dass die Piloten lernten, den Sturzflug so flach wie möglich anzusetzen und dabei den Wind, als auch mögliche Ausweichmanöver des Ziels zu berücksichtigen.
Bei der Annäherung zum Ziel im Tiefflug stieg der Kamikaze-Pilot, nachdem er den feindlichen Flottenverband erkannt hatte, steil nach oben, bis er 4000 bis 5000 Meter erreicht hatte, bevor er sich in einem steilen Winkel auf ein Schiff stürzte. Dieses Verfahren setzte aber ein hohes Können des Piloten voraus, aber die Japaner hatten bei ihren bisherigen Angriffen festgestellt, dass ein Treffer auf dem Deck des angegriffenen Schiffes erheblich wirkungsvoller war, als in die Seite.
Die Kamikaze-Flieger wurden daher angehalten, diese Methode anzuwenden, wenn ihr Können ausreichend war und es die Angriffsbedingungen zuließen.
Aus diesem Grunde war die Ausbildung zum Kamikaze-Pilot, trotz ihrer Kürze, sehr hart und dazu gehörten das Einsteigen in ihr Flugzeug, Abheben, der Verbandsflug und der eigentliche Angriff.
Beim Abheben mit ihrer schwer beladenen Maschine durfte der Kamikaze-Pilot nicht zu schnell steigen, musste die Steuerung vorsichtig bedienen und bei einer konstanten Flughöhe von etwa 30 Metern das Fahrwerk einziehen.
Nach dem Abheben war es wichtig für den Piloten, zum Verband aufzuschließen und dort einen möglichst geringen Abstand zu den anderen Flugzeugen einzuhalten, damit die Gruppe bei Richtungsänderungen keinen großen Bogen fliegen musste.
Das wichtigste Ziel der Kamikaze-Flieger waren natürlich die amerikanischen Flugzeugträger. Der wirksamste Bereich für einen Treffer war der mittlere Aufzug und die nächst günstigsten Bereiche der vordere oder hintere Aufzug.
Bei anderen, größeren Kriegsschiffen war das beste Ziel der Beginn des Brückenaufbaus. Bei Zerstörern, kleineren Kriegsschiffen und Transportern sollte der Einschlag des Kamikaze-Flugzeugs irgendwo zwischen Brückenaufbau und Mittschiffs erfolgen.
Theoretisch hätten vier Kamikaze-Flugzeuge gegen einen Flugzeugträger eingesetzt werden sollen. Davon sollten zwei den mittleren und jeweils eine den vorderen bzw. hinteren Aufzug treffen. Jeweils zwei oder drei Kamikaze-Flugzeuge sollten von einem Begleitjäger gesichert werden.
Der Mangel an eigenen Flugzeugen und die große Zahl der alliierten Flugzeugträger zwang die Japaner jedoch dazu, zumeist nur ein Kamikaze-Flugzeug gegen jeden Flugzeugträger einzusetzen.
Quellenangaben und Literatur
Combat Aircraft of World War II (Bill Gunston)
Technik und Einsatz der Kampfflugzeuge vom 1. Weltkrieg bis heute (Ian Parsons)
Das große Buch der Luftkämpfe (Ian Parsons)
Luftkrieg (Piekalkiewicz)
Flugzeuge des 2. Weltkrieges (Andrew Kershaw)
World Aircraft World War II (Enzo Angelucci, Paolo Matricardi)
Flotten des 2. Weltkrieges (Antony Preston)
Seemacht – eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart (Elmar B. Potter, Admiral Chester W.Nimitz)
The Encyclopedia of Weapons of World War II (Chris Bishop)
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