Was sind Kriegsspiele und ihre praktische Anwendung ?
Auswahl und Reviews von Strategie-, Taktik- und Shooter-Kriegsspiele mit dem Schwerpunkt auf den Weltkriegen.
Erklärung und Geschichte der Kriegsspiele und ihre Anwendung im Zweiten Weltkrieg.
Was sind Kriegsspiele ?
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Kriegsspiele sind ‚mathematische Modelle der militärischen Welt‘. Militärsimulationen verwenden mathematische Modelle um das wahrscheinlichste Ergebnis einer historischen oder zukünftigen Schlacht bzw. eines Feldzuges zu bestimmen.
Heute sind Militärsimulationen eines der mächtigsten und am weitesten entwickelten verfügbaren Werkzeuge, um Offiziere auszubilden oder den wahrscheinlichen Ausgang einer komplexen Militäroperation zu bestimmen.
Als Kriegsspiele werden selbst sie kompliziertesten und am weitesten fortschrittlichen Militärsimulationen bezeichnet. Im Wesentlichen ist ein Kriegsspiel eine Militärsimulation, in welcher Menschen die Schlüsselelemente einer Streitmacht befehligen und kontrollieren. Der Grad, bis zu dem Menschen Entscheidungen im Kriegsspiel treffen können, ist abhängig von dem individuellen Entwurf der Simulation und ihren Zielen und Aufgaben.
Die meisten Militärsimulationen fokussieren sich auf vier Modelle: die taktische, taktisch-operative, operative und strategische Simulation.
In den meisten Kriegsspielen kontrolliert der Mensch als Entscheider die Streitkräfte auf einer bestimmten Ebene, während die anderen Ebenen im Allgemeinen durch die Mechanismen innerhalb der militärischen Simulation abgebildet werden. Größere und anspruchsvollere militärische Simulationen ermöglichen die menschliche Führung und Kontrolle auf mehreren Ebenen.
Folglich wird die Simulation in einigen ausgeklügelten Kriegsspielen nur für die Darstellung der physischen Umgebung verwendet, wobei insbesondere Faktoren wie die Physik der eingesetzten Waffen, die unterschiedliche Infrastruktur der Kommunikation und die Logistik der Truppe simuliert werden. In diesem Fall werden alle Entscheidungen auf beiden Seiten durch menschliche Interaktion getroffen und es werden keine taktischen, operativen oder strategischen Entscheidungen durch die Programmierung der Simulation getroffen.
Kriegsspiel-Reviews
Die Geschichte der Kriegsspiele
Schach wird von einigen Leuten als die früheste Form der Kriegsspiele angesehen. Obwohl einige Züge und Regeln abstrakt sind und sich offensichtlich nicht auf die Realität beziehen, beinhaltet Schach jedoch einige Bestandteile der Kriegführung in der antiken Zeit.
Dazu gehören definierte Einheiten mit einer festgelegten Mobilität, bestimmte Ausgangspositionen, ein Gelände (das Schachbrett) und Spielzüge mit einer begrenzten Zeitdauer und langsamen Befehlsstrukturen, da jeder Spieler abwechselnd nur immer eine Einheit bewegen kann.
Diese einfachen Regeln beinhalten den Umstand, dass alle Soldaten in der Antike und dem Mittelalter festgelegte Rollen auf dem Schlachtfeld hatten, in Linien zu Beginn der Schlacht aufgestellt wurden, gewöhnlich auf offenem Feld kämpften und es nur eine begrenzte Kontrolle über die Truppen gab, nachdem der Kampf erst einmal begonnen hatte.
Im 17. Jahrhundert erschienen die ersten ‚modernen‘ Kriegsspiele. Wie Schach waren diese frühen Militärsimulationen immer noch ziemlich abstrakt, verwendeten aber nun realistisches Gelände und die Spieleinheiten erhielten genauere Kampfwerte und Eigenschaften.
Im Laufe der Geschichte versuchten Männer wie Sun Tzu, Machiavelli, Jomini und Clauswitz, die Theorien und Prinzipien des Krieges zu formulieren und eine ‚Erfolgsformel‘ zu präsentieren.
Diese beruhten fast alle auf dem Studium historischer Schlachten, wo die gemeinsamen Grundlagen für den Erfolg gesucht wurden, um so Grundsätze für zukünftige Kriege bestimmen zu können. Diese Prinzipien haben nicht immer den Lauf der Zeit überstanden, da eine sich veränderte Kultur, Technologie oder die Größe des Schlachtfeldes dazu führten, dass Prinzipien, welche auf einer Ebene des Kampfes gültig sind, auf einer anderen nicht zutreffen.
Zum Beispiel erklärte Clausewitz, der sich zugegebenermaßen mehr für die philosophischen Aspekte des Krieges interessierte, dass ‚Verteidigung die stärkere Form des Kampfes‘ ist. Aus Sicht des gesunden Menschenverstandes scheint dies offensichtlich zu sein und Clausewitz Prinzip durchdringt seit Jahrzehnten das militärische Denken.
Noch heute glauben viele Menschen, dass eine verteidigende Streitkraft automatisch weit weniger Opfer erleiden sollte. Jedoch kann die Verteidigung in ausgebauten Stellungen oder Befestigungen taktisch stärker sein, aber hartnäckig eine Defensive aufrechtzuerhalten oder dazu gezwungen werden, kann auf operativer und strategischer Ebene katastrophal enden.
Dies hat sich oft in der Militärgeschichte bewiesen und besonders während des Zweiten Weltkriegs. Moderne Militärsimulationen der Ostfront von 1941 bis 1945 zeigen eindeutig, dass eine starre Verteidigung zu mehr Verlusten führt. Dies wird durch die Regeln und der Komplexität des modernen, mechanisierten Krieges im offenen Gelände diktiert, wodurch eine sich verteidigende Streitmacht oft Nachteile erleidet, welche zu höheren Verlusten führen.
Die sich in der Verteidigung befindlichen Kräfte sind oft weitaus größeren operativen Verlusten ausgesetzt, als dies während des eigentlichen Kampfes passiert. Dies hat die Ursache darin, dass starre Verteidigungskräfte von den gegnerischen, mobilen Streitkräften, welche im Allgemeinen auch die Initiative haben, öfters eingeschlossen werden können.
Darüber hinaus werden unter anderen Umständen lediglich vorübergehende Ausfälle, z.B. durch mechanische Schäden, unbrauchbar gewordene Ausrüstung usw., viel wahrscheinlicher zu Totalverlusten, da sie von einem vorrückenden Angreifer erbeutet werden können.
In ähnlicher Weise hat sich der häufig gebrauchte Ausdruck ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘ in modernen, mechanischen Kriegen als unbegründet erwiesen. Tatsache ist, dass der Angriff nur unter bestimmten Bedingungen die beste Verteidigungsform ist und von vielen Faktoren abhängt, die nicht immer offensichtlich sind.
Als sich diese Schriften und Philosophien entwickelten, begann das professionelle Militär, das Kriegsspiel als ein richtiges militärisches Werkzeug zu beachten. Es wurde bald offensichtlich, dass man mit festen Prinzipien, zusammen mit einem Modell der realen Welt, die Wahrscheinlichkeit des Gelingens einer Militäroperation viel besser vorhersagen konnte, als mit rein qualitativer – d.h. nicht mathematischer – Analyse.
Im frühen 19. Jahrhundert entwickelten die Preußen unter ihrem neuen, revolutionären Großen Generalstab die ersten detaillierten und realistischen Kriegsspiele. Dabei entwarf die preußische Armee aus historischen Schlachten eine Reihe von Kriegsspielen und nutzte sie zur Ausbildung, Planung und Erprobung neuartiger Militärtaktiken.
Die meisten Kriegsspiele in dieser Zeit beschränkten sich auf einzelne Gefecht, aber später wurden ganze Feldzüge simuliert. So konnten auch anspruchsvollere Parameter wie Transport und Logistik modelliert und praktiziert werden.
In den 1870er Jahren hatten die meisten europäischen Armeen das Potenzial des militärischen Kriegsspiels erkannt, indem sie sich an dem preußischen Modell orientierten, aber keine andere Streitmacht entwickelte es in demselben Maße. Zweifellos waren die preußischen Erfolge im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und die phänomenalen organisatorischen Fähigkeiten des deutschen Generalstabs in Bezug auf die Logistik im Ersten Weltkrieg zum Teil auf diese Überlegenheit bei den Kriegsspielen zurückzuführen.
Kriegsspiele im Zweiten Weltkrieg
Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte die Wehrmacht das Kriegsspiel bis zu einem Standard entwickelt, bei dem fast jede größere Angriffsoperation simuliert wurde, um die Erfolgswahrscheinlichkeit abzuschätzen, unvorhergesehene Faktoren auszugleichen, die Logistik zu untersuchen und Notfallpläne zu entwickeln.
Die Armee führte Kriegsspiele, manchmal als ‚Kartenübungen‘ bezeichnet, auf der Ebene eines Kriegsschauplatzes, von Heeresgruppen, Armeen und Panzer-Gruppen durch. Diese Form der Militärsimulation war den anspruchsvolleren Strategie- und Taktik-Hex-Brettspielen von heute sehr ähnlich.
Das Unternehmen Barbarossa war davon keine Ausnahme und Anfang September 1940 übernahm Generalleutnant von Paulus die Koordination aller Vorbereitungsarbeiten des Generalstabs des Heeres, welcher an der Erstellung eines Operationsplans für den Russland-Krieg beteiligt war.
In seinem Bericht wurden Informationen aus operativen Untersuchungen von Marcks und von Loberg verwendet. Am 23. November 1940 war das erste Kriegsspiel, in dem die sowjetischen Reaktionen durchgespielt wurden, fertig.
Diese und andere Kriegsspiele dauerten bis Dezember 1940 an und es wurden Möglichkeiten für die Logistik, das Gelände, die Stärke der erforderlichen Streitkräfte usw. durchgespielt. Zusätzlich zu den Generalstabsspielen führten die Heeresgruppen ihre eigenen Kriegsspiele durch.
Zwischen dem 9. und 10. April 1941 führte das Armeegruppen-Hauptquartier in Posen unter von Bock große Kriegsspiele durch, die sich hauptsächlich darauf konzentrierten, wie der Großteil der sowjetischen Truppen in den westlichen Militärbezirk am Abzug gehindert werden konnte.
Die Rote Armee, Briten und Japaner benutzten im Zweiten Weltkrieg ebenfalls auch Kriegsspiele und viele ihrer Offensiv-Operationen wurden dabei durchgespielt. Überraschenderweise blieb die US-Army zunächst hinter den anderen Großmächten auf diesem Gebiet zurück, und nur die US-Marine verwendete regelmäßig militärische Simulationen.
Das wahrscheinlich berühmteste sowjetische Kriegsspiel in der Zeit vor dem Unternehmen Barbarossa wurde in der ersten Januarwoche 1941 durchgeführt. Die Kriegsspiele wurden unter der Aufsicht des Verteidigungskommissars, Marschall S.K. Timoschenko und des Generalstabschefs General K.A. Merestkow durchgeführt.
Das Kriegsspiel sollte prüfen, ob eine ‚Ost-Streitmacht‘ unter Oberst-General D.G. Pawlow, welcher die sowjetischen Streitkräfte vertrat, dem Angriff einer von General Schukow befehligten ‚West-Streitmacht‘ im Gebiet nördlich der Pripjet-Sümpfe stoppen konnte. Das Ziel des Kriegsspiels war es, zu zeigen, dass die ‚Ost-Streitmacht‘ (d.h. die sowjetischen Streitkräfte) stark genug sein würde, um die ‚West-Streitmacht‘ (d.h. die Wehrmacht) aufzuhalten und anschließend eine erfolgreiche Gegenoffensive zu beginnen.
Das sowjetische Kriegsspiel erwies sich als großer Sieg für die’West-Streitmacht‘ unter Schukow, welche drei kräftige Durchbrüche erzielte und den Großteil der ‚Ost-Streitmacht‘ vernichtete. Stalin war so verärgert, dass er Meretskow entließ und ihn durch Schukow ersetzte.
Dieser Vorfall verrät, wie ernst die Kriegsspiele von den Sowjets geführt wurden. Umso mehr ist bedauerlich und auch etwas typisch für die Sowjets, dass Stalin und das STAVKA mehr auf die beteiligten Personen achteten, als auf die tatsächlichen Ergebnisse des Kriegsspiels.
Es kommt so nicht überraschend für ernsthafte Spieler von Militärsimulationen, dass fast alle sowjetischen und deutschen Kriegsspiele, welche die ersten sechs Monate des Unternehmens Barbarossa durchspielten, ähnliche Ergebnisse erbrachten, wie das, was zwischen Juni und August 1941 dann tatsächlich passierte.
Siehe auch: Pädagogische Bewertung von Strategie-Computerspielen
Kostenloses Kriegsspiel WW2 Total
Nachdem ich viele Jahre PC-Strategiespiele und Geschäftsanwendungen für den Softwaremarkt entwickelt hatten, begann die Zeit der Ego-Shooter auf dem PC-Markt. Nun trafen sich meine Freunde fast regelmäßig samstags in meinem Entwickler-Studio mit einer großen Anzahl vernetzter Computer, um die ganze Nacht in einer LAN-Party zu ‚zocken‘.
Leider hatten alle diese Ego-Shooter einen – in unseren Augen – gravierenden Nachteil: sie beschränken sich alle auf unzusammenhängende, kurze Aktionen ohne wirklich strategische Konzepte im Hintergrund – wie Ressourcen-Management oder Offensiv-Planungen zu berücksichtigen, geschweige denn mittel- oder längerfristiges aufbauendes Gameplay zu ermöglichen.
Deshalb begann die Entwicklung des Gratis-Strategiespiel WW2 Total.
Quellenangaben und Literatur
Den Krieg denken – Die Entwicklung der Strategie seit der Antike (Beatrice Heuser)
Operation Barbarossa: the Complete Organisational and Statistical Analysis, and Military Simulation, Volume I – IIIB (Nigel Askey)