Göttingen im Zweiten Weltkrieg


Göttingen im Zweiten Weltkrieg.

The Everett Collection, Canva.com
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Göttingen im Zweiten Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg ging an fast keiner größeren Stadt in Deutschland vorbei und der nachfolgende Wiederaufbau dauerte mehrere Jahre lang an. Auch zahlreiche Städte im Zentrum von Deutschland mussten schwere Schäden hinnehmen, dazu gehören beispielsweise Paderborn, Kassel und Hildesheim. Göttingen hatte zur Kriegszeit knapp 50.000 Einwohner und galt damit als relativ groß. Doch war es damit auch schon ein attraktives Ziel, auf das sich der Angriff lohnte?

Göttingen blieb größtenteils verschont

Rückwirkend gesehen ging Göttingen eher glimpflich aus dem langen Krieg hervor, der viele andere Städte in Deutschland stark beschädigte. So blieben die meisten Gebäude und Wohnhäuser komplett unbeschädigt, sie sind also noch heute oft bestens erhalten. Man kann problemlos ein Apartment in Göttingen finden und anmieten, das sogar noch vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Weitere historische Gebäude stehen in Göttingen verteilt und prägen den einzigartigen Charakter der Universitätsstadt.

Betrachtet man das Stadtbild als gesamtes, dann erlitt Göttingen einen eher kleinen Zerstörungsgrad von lediglich 2,1 Prozent aller Wohnungen. Zum damaligen Zeitraum entsprach das 59 Wohnhäusern mit rund 300 Apartments. Das nahegelegene Paderborn soll einen Zerstörungsgrad von 96 Prozent aufgewiesen haben, um die Zahlen mal in einen Vergleich zu setzen. Die Hintergründe waren dabei jedoch relativ offensichtlich und logisch, wenn man sie aus strategischen Aspekten sieht.

Paderborn war mit seinem wichtigen Bahnhof und dem Flugplatz ein strategisch wichtiges Ziel. Göttingen galt dagegen bereits in den 1940er-Jahren als Universitätsstadt ohne wichtige Industrie, deswegen war es auch für ein großflächiges Bombardement nicht unbedingt attraktiv. Die Verluste, sowohl von Menschenleben und Gebäuden, bewegten sich demnach auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Zu den insgesamt 59 zerstörten Wohnhäusern verloren auch 107 Menschen ihr Leben.

Vereinzelte Luftangriffe richteten kleinere Schäden an

Die ersten Luftangriffe durch die Alliierten begannen im Juni 1944 und das primäre Ziel war zunächst das Eisenbahnausbesserungswerk, doch die Flieger konnten Göttingen nicht finden. Zwei Wochen darauf griffen 16 viermotorige Bomber des Typs Boeing B-17 den Verschiebebahnhof der Stadt an, bei dem auch eine Kaserne im Westen der Stadt getroffen wurde. Dabei gab es dann auch die ersten Todesopfer.

Zwischenzeitlich gab es immer wieder kleinere Angriffe, bis es am 1. Januar 1945 dann wieder einen Großangriff mit insgesamt 26 Bombern des Typs Boeing B-17 auf den Verschiebebahnhof gab, der insgesamt 47 Todesopfer forderte. Dabei wurden auch Wohnhäuser in der Emilienstraße, Arndtstraße, Weender Landstraße, Königsallee und Kasseler Landstraße sowie das Auditorium der Universität am Weender Tor zerstört.

Kleinere Angriffe setzten sich dann in den nächsten Monaten fort, bis am 7. April 1945 der bis dahin schwerste und letzte Luftangriff auf Göttingen erfolgte. Die US-Luftflotte griff mit insgesamt 268 zweimotorigen Mittelstreckenbombern die Bahnanlagen an, um den Vormarsch ihrer Bodentruppen zu unterstützen. Dabei wurden das Empfangsgebäude des Bahnhofes sowie Teile der Universität zerstört. Glücklicherweise waren die Opferzahlen bei diesem Angriff jedoch relativ gering, so mussten vergleichsweise wenige fünf Menschen ihr Leben lassen.

Rasantes Wachstum nach Kriegsende

Da Göttingen den Krieg relativ unbeschadet überstehen konnte, kehrte der Alltag wesentlich schneller in die Stadt zurück als andernorts. Bereits vier Monate nach Kriegsende öffnete beispielsweise wieder das Theater und lockte mit Mozarts Oper „Hochzeit des Figaro“ kulturbegeisterte Besucher an. Nur wenige Wochen später machten dann die Tore der Universität wieder auf. Damit war es eines der Ersten, das den Lehrbetrieb nach dem Krieg wieder aufnahm.

Göttingen etablierte sich auch in den Folgejahren als Zentrum für das kulturelle und wissenschaftliche Leben in den westlichen Besatzungszonen (bzw. der späteren Bundesrepublik). So wurden einige Jahre darauf, im Jahr 1948, die Max-Planck-Gesellschaft in Göttingen und der erste deutsche PEN-Club (Schriftstellervereinigung) gegründet. Damit konnte die Stadt frühzeitig wichtige Bereiche fördern, die für eine Universitätsstadt besonders wichtig sind.

Doch der schnelle Aufschwung lockte auch viele neue Einwohner an, besonders aus den ehemaligen Besatzungszonen der Sowjetunion. Während die Einwohnerzahl der meisten Städte in Deutschland nach dem Krieg einen Dämpfer erhielt, hatte Göttingen vor Kriegsbeginn 51.000 Einwohner und zehn Jahre nach Kriegsende stieg die Zahl dann auf über 80.000. Das rasante Wachstum der Stadt führte zu Engpässen beim Wohnraum und der Versorgung. Die Versorgungsprobleme hielten sogar noch bis in die 50er-Jahre an.

Bis heute werden noch alte Bomben entdeckt

Insgesamt sollen über 2.500 Bomben über Göttingen während eines Jahres abgeworfen worden sein. Noch heute liegen viele davon im Gebiet verteilt und führen immer wieder zu großflächigen Räumungen zur Entschärfung. Denn solche Blindgänger können eine durchaus realistische Gefahr darstellen, deswegen ruft die Stadt regelmäßig dazu auf, diese zu melden.

Zuletzt erfolgte eine Entschärfung von nicht detonierten Bomben an fünf konkreten Verdachtsstellen, bei der insgesamt 10.000 Menschen evakuiert werden mussten. Ein Jahr zuvor hatte ein Baggerfahrer eine 250-kg-Sprengbombe gefunden und unwissend auf seinen Anhänger geladen. Anfang 2021 gab es eine kontrollierte Sprengung von vier Zehn-Zentner-Zeitzünderbomben. Es finden sich unzählige weitere Beispiele zu solchen Überbleibseln des Krieges.

Doch die reale Bedrohung ist natürlich äußerst gering und es sollte keinen Grund zur Sorge geben. Göttingen und viele andere Städte in Deutschland entschärfen und sprengen regelmäßig Blindgänger aus der Weltkriegszeit. Die Anzahl tatsächlicher Opfer ist dabei überschaubar gering, auch weil die Einsatzkommandos alle sehr professionell ausgebildet sind.


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