17-Schlacht an der Weichsel 1945


Die Schlacht im großen Weichselbogen und die letzte sowjetische Winteroffensive 1945.

Panzerjäger vom Typ Nashorn vor Weichsel-Brückenkopf
Deutsche Panzerjäger vom Typ Nashorn mit 8,8-cm-Pak in Lauerstellung vor einem russischen Weichsel-Brückenkopf im Winter 1944/45.

Die letzte sowjetische Winteroffensive

Die Rote Armee baute ihre Streitkräfte im mittleren Teil der Ostfront auf, während die Deutschen ihre letzten Reserven an Soldaten und Ausrüstung anderswo verbrauchten: zunächst bei den Offensiven im Westen und danach bei den vergeblichen Bemühungen, die Belagerung von Budapest aufzuheben.


Eine dritte Offensive der Roten Armee in Kurland konnte den dortigen deutschen Brückenkopf zwar nicht vernichten, aber die deutschen Truppen blieben dort bis Kriegsende eingeschlossen und hatten keinen Einfluss mehr auf die weiteren Kämpfe im Osten.

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Der Schwerpunkt der sowjetischen Militärplanung für ihre Offensive im Januar 1945 lag auf dem Mittelabschnitt der Ostfront, um die deutschen Armeen von Ostpreußen bis zu den Karpaten zu zerschlagen und anschließend rasch nach Berlin vorzustoßen, das, wie Stalin zwischenzeitlich wusste, innerhalb der der Sowjetunion zugewiesenen, zukünftigen Besatzungszone lag.

Der sowjetische Plan sah vor, diesen Siegeszug bis zur Elbe in einer ersten Phase von fünfzehn Tagen durchzuführen, wobei der Hauptvorstoß aus den Brückenköpfen über die Weichsel südlich von Warschau und ein zweiter Vorstoß aus den Brückenköpfen über den Fluss Narew nördlich von Warschau, geführt werden sollte.

Die südliche Offensive der Ersten Weißrussischen und der Ersten Ukrainischen Front sollte durch Südpolen in das wichtige deutsche Industriegebiet Schlesien vordringen, während im Norden die Zweite und die Dritte Weißrussische Front die deutschen Truppen im Gebiet um Ostpreußen isolieren sollten, indem sie hinter ihnen zur Ostsee vordrangen und anschließend die abgeschnittenen Reste zerschlugen.

In beiden Fällen ging man davon aus, dass die sowjetische Überlegenheit an Soldaten, Artillerie, Panzern und Beweglichkeit die relativ dünne Linie der deutschen Verteidiger schnell aufbrechen würde und dass gepanzerte Speerspitzen der Roten Armee dann tief in den Rücken eines Feindes ohne größere Reserven eindringen könnten.

In einer zweiten Phase von dreißig Tagen, die ohne Unterbrechung auf die erste folgen sollte, würde die sowjetische Armeeführung die südlichen Kräfte, d.h. die Erste Weißrussische und die Erste Ukrainische Front, geradewegs durch Berlin bis zur Elbe vorjagen. Man ging davon aus, dass ein etwa sechswöchiger Vorstoß den Krieg in Europa im Februar oder März beenden und Kräfte für einen Feldzug in die Mandschurei gegen Japan freisetzen würde.

Der erste Teil des sowjetischen Plans, den Krieg in Europa in fünfundvierzig Tagen zu beenden, gelang vollständig; der zweite nicht.
Ursprünglich war die Offensive etwa für den 15. bis 20. Januar 1945 geplant und wurde um eine Woche vorverlegt, hauptsächlich auf die Bitten der westlichen Alliierten, den Druck auf sie zu verringern. Die monatelange Ruhe auf dem Hauptabschnitt der Front im Osten hatte es den Deutschen nämlich ermöglicht, ihre Kräfte anderswo zu konzentrieren.


Der vorverlegte Angriff hatte andererseits den Vorteil, dass er viele deutsche Hauptquartiere überraschte, die erwartet hatten, dass die Rote Armee auf besseres Wetter warten würde. Die deutschen Reserven waren größtenteils nach Ungarn verlegt worden, um Budapest zu entsetzen und die dortigen Ölfelder zu schützen.
An der Hauptfront im Osten lag dagegen praktisch alles, was die Deutschen hatten, in Reichweite der Artillerie der Roten Armee.

Brückenkopf Baranow
Die ersten Minuten im Morgengrauen am Brückenkopf Baranow, als russische Panzer die deutschen Stellungen durchbrechen.

Die großen Angriffe, die am 12., 13. und 14. Januar von den Weichsel- und Narew-Brückenköpfen aus gestartet wurden, zermalmten die vor ihnen stehenden deutschen Kräfte buchstäblich, drängten sowohl die Reste der deutschen Frontdivisionen als auch die wenigen Reserven hinter den deutschen Linien beiseite und waren am 17. Januar ins Hinterland durchgestossen.
Teile der deutschen Front waren eingekesselt, als die Panzerverbände der Roten Armee hinter ihnen eindrangen, während anderswo die unorganisierten Reste der deutschen Divisionen – unterstützt von rückwärtigen Diensten und Verwaltungen – zurück in Richtung Reich strömten. Als sich das Wetter aufklärte, konnte die Rote Luftwaffe den Luftraum ebenso effektiv beherrschen.

Russische Artillerie und Flieger
Russische Artillerie und Flieger greifen deutsche Stellungen an.

Schlacht im grossen Weichselbogen

Am 12. Januar 1945 griffen die 1. Weißrussische Front (Marschall Schukow) und die 1. Ukrainische Front (Marschall Konjew) auf einer Frontbreite von Warschau bis Jaslo an. Gleichzeitig griff nördlich von Warschau Rokossowskijs 2. Weißrussische Front mit neun Armeen (eine sowjetische Armee entspricht etwa einem deuten Korps) die deutsche 2. Armee an.

Die deutschen Truppen in einer Stärke von 569.000 Mann, mit 8.230 Geschützen, 700 Panzern (die Masse wurde zur gleichen Zeit in der Ardennen-Offensive im Westen verheizt) und 1.300 Flugzeugen stehen einer russischen Übermacht von 1,5 Millionen Soldaten, 28.000 Geschützen, 3.300 Panzern und 10.000 Flugzeugen gegenüber.

Für die Rote Armee war dies die letzte gewaltige Kraftanstrengung des Zweiten Weltkrieges. Um den Kampfwillen zu stärken, sind Millionen von Flugblättern verteilt worden, die zur Vernichtung des faschistischen Tieres in seiner Höhle und zur Vergewaltigung der germanischen Frau auffordern. Die Todesstunde für die deutsche Bevölkerung im Osten hat geschlagen.

Schlacht im grossen Weichselbogen
Karte der Schlacht im grossen Weichselbogen 1945.

Hier die Berichte über den letzten Kampf der 214. Infanterie-Division in der Schlacht im grossen Weichselbogen:

Noch dramatischer als vor dem Brückenkopf Waeka war der Kampf am Brückenkopf von Pulawy, vor dem sich das LVI. Panzer-Korps befand. Schon in den Morgenstunden gelang der russischen 33. Armee einen großen Durchbruch bei der 214. Infanterie-Division, die zu der Erfassung von Ciepielow führte, ca. 14 km westlich der deutschen Hauptkampflinie. Ein improvisierter Gegenschlag mit taktischen Reserven unter der persönlichen Führung des Divisionskommandeur war nicht erfolgreich. Die Ankunft der Kampfgruppe der 10. Panzergrenadier-Division ab 10 Uhr auf Befehl des Generals des LVI. Panzer-Korps erreichte nur die Rückeroberung einer beherrschenden Stellung in Ciepielow. Aber danach wurde die Kampfgruppe zunehmend in die Defensive gedrängt und in mehrere Teile zersplittert, sodass nur ein hinhaltender Rückzug in Richtung Radom übrig blieb.

Von der russischen 69. Armee wurde ab 13 Uhr das 11. Panzer-Korps vorgeführt, das durch die Naht zwischen der 17. und 214. Infanterie-Division durchstieß und den Verkehrsknotenpunkt Zwoleii nahm. Dies bedeutete, dass die rückwärtige Auffangstellung des LVI. Panzer-Korps überrannt war. Gegen Abend erreichen die Panzerspitzen des russischen 11. Panzer-Korps schon die Stadt Radom. Dies bedeutete nicht nur den Durchbruch in das deutsche Hinterland, sondern ebenso die kurz bevorstehende Einkesselung der noch an der Weichsel kämpfenden Teile der 17. Infanterie-Division und 45. Volksgrenadier-Division.


Es war eine der härtesten und grausamsten Schlachten des Krieges, in der vor allem die deutschen Truppen verzweifelt kämpften. Jedoch waren bereits nach dem ersten Tag der Offensive die 4. Panzer-Armee völlig zerschlagen. Die 214. Infanterie-Division ging mit der Masse in einem Kessel bei Starachowice unter. Nach dem massivsten, verlustreichsten, aber auch schnellsten Vorstoß des ganzen Krieges erreicht Schukow bereits am 31. Januar 1945 die Oder.

Reste einer deutschen Abwehrstellung Weichsel
Die Reste einer deutschen Abwehrstellung vor einem russischen Weichsel-Brückenkopf.

Sowjetischer Vorstoß zur Oder

Der sowjetische Sieg war von ungeheurem Ausmaß und sorgte für umso mehr Verwirrung, als die Russen an Selbstvertrauen und Moral gewannen, während die Deutschen, die durch Gegenden verfolgt wurden, die bis dahin vom Krieg kaum berührt worden waren und bisher das Ziel vieler aus dem Westen wegen der dortigen Bombenangriffe evakuierter Menschen waren. Als die Menschen zunehmend erkannten, dass dies ein unaufhaltsamer Ansturm der Russen war, flohen sie zumeist unorganisiert und kurzfristig.

Flüchtlingstreck
Ein durch Soldaten gesicherter Flüchtlingstreck in Ostdeutschland.

Die Deutschen verlegten einige Verstärkungen von der Westfront nach Osten und kratzten andere Truppen aus der Reserve zusammen, aber die Hauptanstrengung, die zusammenbrechende Front zu stützen, war von anderer Art.
Adolf Hitler schickte zwei seiner Experten im Durchhalten, Schörner und Rendulic, um die kritischen Abschnitte zu übernehmen. Beide waren bekannt dafür, durch zahlreiche Exekutionen unter den eigenen Soldaten mehr Schrecken zu verbreiten, als es die Russen konnten.
Dazu kam noch der militärisch unerfahrene Himmler, um eine neue, weitgehend fiktive Heeresgruppe namens ‚Weichsel‘ zu führen.

Nichts von alledem bremste die Rote Armee wesentlich. Ende Januar waren die sowjetischen Streitkräfte bis zur Ostsee östlich von Danzig vorgedrungen und hatten die Reste der deutschen 3. Panzerarmee und 4. Armee abgeschnitten.
Praktisch das gesamte Vorkriegspolen ging an die Sowjets verloren, ebenso ein großer Teil des schlesischen Industrie- und Bergbaugebiets, welches praktisch unversehrt an Konjews Erste Ukrainische Front gefallen war. Hunderttausende von deutschen Zivilisten drängten sich nun als Flüchtlinge auf den Straßen nach Westen, während die Russen schon dabei waren, die Oder zu überschreiten.

Russische Pioniere an der Oder
Russische Pioniere schlagen eine Behelfsbrücke über die Oder.

Hier und da hielten sich noch Widerstandszentren, darunter die zur Festung erklärte Stadt Breslau bis Mai und andere, bei denen es aber offensichtlich war, dass sie alle früher oder später fallen würden.
Zu dem Gebiet, durch das die Rote Armee gezogen war, gehörte auch das Konzentrationslager Auschwitz mit seinen Außenlagern, seinen riesigen Fabriken und seinen Mordzentren. Die Deutschen hatten auch keine Zeit gehabt, sieben Tonnen Frauenhaar abzutransportieren.

Jedoch hat die Entschlossenheit und der Mut der Verzweiflung der deutschen Truppen und Stützpunkte, welche an den nördlichen und südlichen Flanken der Front kämpften, in Verbindung mit neuen Verstärkungen und Reserven, welche in letzter Minute an der Oder eintrafen, die sowjetische Offensive im Februar zum Stillstand gebracht.
Schukows Frontkeil an der Oder östlich von Berlin umfasste einige Brückenköpfe über diesen Fluss, war aber nicht breit genug, um als Ausgangspunkt für die zweite Phase der geplanten sowjetischen Offensive zu dienen. Soweit es das Winterwetter zuließ, konnte die Rote Armee im Februar nur ihre Flanken in Ostpreußen, Pommern und Nordschlesien bereinigen.

StuG III mit aufgesessener Infanterie
StuG III mit aufgesessener Infanterie bei einem lokalen Gegenstoß.

Eine kleine deutsche Gegenoffensive bei Stargard am 16. Februar scheint auch das Selbstvertrauen des sowjetischen Oberkommandos erschüttert zu haben. Daraufhin wurde beschlossen, dass die zweite Phase der Großoffensive nach Mitteldeutschland eine umfassende Vorbereitung erfordern würde.
Die Eroberung Berlins und der zugewiesenen Zone in Deutschland würde für die Russen weder einfach noch schnell sein.

Diejenigen Soldaten der 214. Infanterie-Division, welche der Schlacht an der Weichsel entkamen, wurden in einem Bataillon in Schlesien gesammelt werden, um daraus die Division wieder neu aufzustellen.
Der Großvater des Autors gehörte zu diesen Glücklichen, verlor jedoch seinen Fotoapparat und die letzten seiner Bilder aus dem Krieg. Da er die Fotos immer nur während des Urlaubes mit nach Hause bringen konnte, da das Fotografieren ja oft nicht erlaubt war, fehlen somit leider die letzten Bilder.

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Doch dafür folgt eine interessante Seite mit offiziellen Original-Dokumenten aus Nazi-Deutschland sowie aus der Kriegsgefangenschaft in Warschau, Polen.


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Quellenangaben und Literatur

Krieg der Panzer (Piekalkiewicz)
Der 2. Weltkrieg (C. Bertelsmann Verlag)
Zweiter Weltkrieg in Bildern (Mathias Färber)
A World at Arms – A Global History of World War II (Gerhard L. Weinberg)
Der Grosse Atlas zum II. Weltkrieg (Peter Young)
Germany ahead – the Vistula-Oder strategic operation
Abwehrschlacht an der Weichsel 1945. Vorbereitung, Ablauf, Erfahrungen (Heinz Magenheimer)
Das Ende zwischen Weichsel und Elbe 1944/45: Panzer an der Weichsel (Hans Schäufler, Wilhelm Tieke)


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